02 / 2001
  Mag. Hermann Gössinger, Pressesprecher des Steirischen Arbeitsmarktservice

KORSO: Von steirischen Unternehmen wird immer wieder betont, dass es sehr schwer ist, IT-Fachkräfte zu bekommen.
Gössinger: Das Grundproblem , das sich in Arbeitsgruppen des AMS mit steirischen IT-Unternehmen zeigt, ist, dass ein klares Anforderungsprofil der Unternehmen fehlt. Es wird immer wieder vermischt zwischen der Nachfrage nach Personen, die den PC als Werkzeug benutzen (z.B. Webdesigner ist Anwender verschiedener Programme) oder Developers, sprich Entwickler von Datenbanken, Software etc. Unternehmen suchen meist undifferenziert nach IT-Spezialisten. Diese notwendige Unterscheidung zwischen Anwendern und Entwicklern wird aber auch in der öffentlichen Diskussion kaum gemacht. 

KORSO: Was wird von steirischen Unternehmen gesucht?
Gössinger: Gesucht werden meist Personen mit Formalqualifikationen - obwohl gerade die Firmengründer bzw. -inhaber in der Regel diese nicht besitzen sondern als „Freaks“ angefangen haben. Jetzt wollen sie jedoch Universitäts- oder HTL-Abgänger der Informatik. D.h. dass auch diese Unternehmen der New Economy veraltete formale Qualifikationskriterien heranziehen, die aber nur von wenigen erreicht werden, da es eben zuwenig spezielle Ausbildungen gibt, wie etwa eine eigene Webdesign-HTL.

KORSO: Wie hoch schätzen Sie den aktuellen Mangel an IT-Fachkräften in der Steiermark?
Gössinger: Den angeblich großen Bedarf von 3000 (Schätzung eines Landespolitikers) bis 10.000 IT-Fachkräften für die Steiermark: gibt es diesen wirklich? Wo fehlen die? Meiner Erfahrung nach ist dies eher eine Diskussion im virtuellen Raum.
Es gibt zum einen sehr viele Kleinstbetriebe mit gar keinen oder zwei bis drei MitarbeiterInnen (die meist zugleich Partner sind). Diese haben sicher genug Aufträge in der Hinterhand, dass sie 2-3 MitarbeiterInnen einstellen könnten, wenn sie die geeigneten Personen für ihre speziellen Projekte finden würden. In der Realität gibt es den Mangel aber nicht.
Bei den wenigen großen Unternehmen ist der Bedarf plausibel. Bisher gab es in Österreich immer das Problem der Kapitalschwäche. In dieser Branche ist aber nicht viel Kapital notwendig, daher ergibt sich hier eher ein Mangel im Bereich der Humanressourcen. 

KORSO: Was sind Ihrer Meinung nach die Probleme bei der Definition des realen Bedarfs an IT-Fachkräften?
Gössinger: Es gibt beispielsweise Probleme mit der genauen Definition bei der Berufssystematik. Das heißt, die IT-Branche kann sehr schwer definieren, was sie braucht. Aber zum Vermitteln müssen sich die gesuchten Stellen vom AMS in eine Berufssystematik einordnen lassen. Im IT-Bereich gibt es dabei 30 bis 40 konkrete Berufe. Diese bieten gute Anhaltspunkte, sind aber nicht wirklich brauchbar. Diese Erfahrung kann auch jemand machen, der sich etwa Zeitungsinserate dieser Branche durchliest. Die Überschriften sind oft nur ein Sammelbegriff und die darunter gesuchten Fähigkeiten stimmen oft nicht damit überein.

KORSO: In der aktuellen politischen Diskussion wird von Wirtschaftskammerseite vehement für eine Erhöhung der Quote ausländischer IT-Fachkräfte gefordert ...
Gössinger: ... ja, aber der Bedarf kann nicht so groß sein, sonst würden mehr AusländerInnen angesucht werden. Eigentlich gibt es in Österreich für IT-Fachkräfte kein genau begrenztes Kontingent. Früher konnte man diese über den sogenannten Schlüsselkräfteerlass ansuchen. Man mußte als Unternehmen beim AMS einen Antrag stellen und begründen, dass es sich bei dem/der beantragten AusländerIn um eine Schlüsselkraft handelt. Die Leitung  der Regionalen Geschäftsstelle des AMS musste dann entscheiden, ob es für diese/n AusländerIn keine österreichische Ersatzkraft gibt. Dieses Extrakontingent besaß eigentlich keine fixe Kontingentierung. Dennoch wurden hier pro Jahr nur maximal 20 Anträge für die Steiermark vermerkt - und das für alle Branchen.
Von Minister Bartenstein wurde nun eine neue Regelung getroffen, bei der die AMS-Leitung nicht mehr gesondert entscheiden müssen. Vielmehr gibt es eine vordefinierte IT-Berufsliste. Gehört eine angesuchte Person einem dieser Berufe an, wird sie per definitionem als Schlüsselkraft bezeichnet und es bedarf keiner Überprüfung, ob eine österreichische Ersatzkraft vorhanden ist. Diese Regelung gilt seit 1. Januar 2001 und sieht als einzige Bedingung an, dass diese Schlüsselkräfte über der Höchstbemessungsgrundlage entlohnt werden müssen, das sind derzeit knapp über 44.000.- Schilling. 

KORSO: Vom AMS Steiermark wurde diese Grenze ja bereits im Jahr 2000 eingeführt. Wie viele ausländische Fachkräfte wurden nun angesucht? 
Gössinger:  Obwohl die Wirtschaft immer wieder beteuert, ExpertInnen zu suchen, gab es unter dieser Prämisse lediglich sieben Anträge in der Steiermark. Die Unternehmerschaft, so meine Annahme, sucht vielmehr billige Beschäftigte, die sie für kurzfristige Auftragsspitzen ohne längere Perspektive beschäftigen wollen.

KORSO: Das AMS macht auch Umschulungen. Ein von uns befragter steirischer Unternehmer steht dem jedoch etwas skeptisch gegenüber. 
Gössinger: Ich verstehe die Position des Unternehmers, der lieber Grafiker nimmt und diese zu Webdesignern umschult als Umgeschulte, die aus einem gänzlich anderen Beruf kommen. 
Das dauernde Gerede von den vielen fehlenden Beschäftigten in der IT-Branche stellt daher ein generelles gesellschaftliches Problem dar. Viele werken als Amateure herum und vor allem speziell bei den KundInnen des Arbeitsmarktservice wird die permanente Vorstellung erzeugt, dass sie nur ein wenig am PC arbeiten können müssen und schon einen Zukunftsjob bekommen können. 

KORSO: Wie geht das steirische AMS damit um?
Gössinger: Als konkreten Schritt, um auch unter diesen die „Potentials“ herauszufinden, wurde nun die sogenannte „Freak-Codierung“ eingeführt. Stellen AMS-BeraterInnen beim Gespräch mit dem/der Arbeitslosen fest, dass diese/r PC-Kenntnisse hat, so wird dieser Person sofort ein kurzer Fragebogen vorgelegt mit etwa sechs bis sieben Fragen (z.B.. Haben Sie zu Hause Ihren Internetzugang selbst installiert? Oder: Haben Sie zu Hause ein Netzwerk installiert?). Das AMS Steiermark hat sich zudem für 2001 im Bereich IT-Ausbildung einen eigenen Schwerpunkt gesetzt. 
Daneben führen wir bereits seit Jahren spezielle Programme in diesem Bereich durch, wie etwa Telesoft. Dort gab es strenge Auswahlkriterien mit speziellen Eignungstests. Die 350 in diesen Maßnahmen ausgebildeten Web-Designer und Datenbankentwickler konnten zu 100% vermittelt werden. Von Vorteil war dabei, dass die Maßnahmen mit Firmen bereits gemeinsam entwickelt und durchgeführt wurden. 
Daneben gibt es immer wieder AMS-Modellprojekte. Heuer startet etwa im Rahmen der Deutschlandsberger Frauenqualifizierungsinitiative eine spezielle IT-Ausbildung für Frauen. Diese werden von Unternehmen der Umgebung, welche sich zum sogenannten Styria-Soft zusammen geschlossen haben, zu Programmiererinnen ausgebildet. Diese AMS-Maßnahme dient zwar auch der Wirtschaft, aber nicht ausschließlich. Zum Einen müssen die Unternehmen selbst einen finanziellen Beitrag leisten, zum Anderen muss das Wissen in anderen Unternehmen einsetzbar sein. Durch diese Modellprojekte gewinnt so das AMS Know-how, das es dann am offenen Markt weiter einsetzen kann.

KORSO: Gibt es in der Steiermark auch vorgemerkte Arbeitslose in der IT-Branche? 
Gössinger: Ja. Beim AMS Steiermark gab es im Jahr 2000 524 Zugänge (466 Männer, 58 Frauen) im Bereich der IT-Branche. D.h. diese Personen hatten Ausbildungen etwa in den Bereichen Analytiker, Programmierer, EDV-Trainer, Datenbankentwickler, ... Im gleichen Zeitraum gab es 77 offene Jobangebote von mind. 50 steirischen Unternehmen. Erwähnt werden muss sicher, dass wirkliche Spitzenkräfte beim AMS weder gesucht noch gefunden werden.
Eine Langzeitstudie von Inseraten in einer größeren steirischen Tageszeitung hat ergeben, dass die dem IT-Bereich zuzuordnenden Jobangebote bei weitem nicht die propagierten Zahlen erreichen. Die über ein Jahr lang durchgeführte Erhebung ergab eine Nachfrage von rund 300 Beschäftigten im steirischen IT-Bereich.
 

k-punkt  
WIRSCHAFT UND ARBEIT