Österreichs Föderalismus zu teuer?
Univ.Prof. Dr. Erich Thöni und Univ. Prof. Dr. Christian Smekal (Universität Innsbruck)
 
1) Vorbemerkungen
Rund um die Regierungsbildung der letzten Wochen wurde im Zusammenhang einer schon längst anstehenden Bundesstaatsreform in Österreich  in zahlreichen Medien  immer wieder darauf verwiesen, dass der österreichische Bundesstaat zu teuer käme. Zahlreiche Politiker, Interessenvertreter, Journalisten und Rechtswissenschafter bemühten sich an Hand unter-schiedlicher Beispiele darauf zu verweisen, dass in Zeiten der Globalisierung, der Europäischen Integration und anderer internationaler Entwicklungstendenzen (Informationstechnologie) größere administrative Einheiten als die österreichischen Bundesländer zu fordern und darüber hinaus Kompetenzbereinigungen, oft in stark zentralistischen Forderungen mündend, durchzuführen wären.
Die Argumentationslinien bauen vornehmlich auf Entscheidungs- und Verwaltungskostenüberlegungen auf und passen gemäß dem Zeitgeist rund um die öffentlichen Aufgabener-füllungen in die generelle „Klage um zu viel Bürokratie, zu hohe Administrationskosten, zu viele Beamte“. Sie sind aber aus finanzwissenschaftlich-ökonomischer Sicht oft reduktionistisch bzw simplifizierend und folgen mehr bekannten, jedoch einseitigen Plausibilitäten der Literatur als forschungsmäßig systematischen Belegen.
Greifen wir nur zwei Argumente auf: Obwohl die Beurteilung einer Staatsorganisation alleine aus finanzwissenschaftlich-ökonomischer Sicht neben einer Kosten- auch eine Nutzen- resp Opportunitätskostenevaluation erfordert, und jedem bekannt sein müsste, dass neben den reinen Administrationskosten noch andere Kostenpotentiale (wie zB Informationsbeschaffungs- und Kontrollkosten) relevant sind, stellen die veröffentlichten „Beurteilungen“ nur allzuoft auf eine einzige Dimension der Kosten ab, abwechselnd auf die (quantitativ leichter darstellbaren) Entscheidungs- oder Administrationskosten.
 Dabei passiert es manchen Autoren, dass sie aus Gründen einer hypothetischen Vorstellung, „dass Größe im Falle der Verwaltung niedrige Kosten bedeute“, dh „je größer um so billiger“, neuere Ergebnisse der finanzwissenschaftlich-ökonomischen Forschung übersehen. For-schungsergebnisse weisen nämlich nach, dass „größer auch teurer“ bedeuten kann. Andere Autoren wiederum verfallen dem hypothetischen Glauben, dass „in den von ihnen ange-sprochenen Aufgabenbereichen von vornherein eine Unterauslastung der Kapazitäten vor-handen (Frequenzproblem) oder aber ein Problem mangelnder Partizipation gegeben wäre“. Entsprechende Auslastungs- bzw Partizipationsuntersuchungen fehlen jedoch meist zur Begründung.
Wiederum andere Autoren hängen der Hypothese an, dass das spezifische Lokal- bzw Landesbewusstsein und damit der Wunsch nach einer eigenständigen Repräsentation im Laufe der Zeit abgeschwächt wird. Dann würden Repräsentationsentscheidungen in größeren, zentralisier-teren Verwaltungs- und Regierungsorganisationen (zB 3 Regionen statt der 9 Bundesländer) akzeptiert. Untersuchungen aber, ob zB „Tiroler“ eine Überstimmung durch „Vorarlberger und Salzburger Repräsentanten“ hinnehmen würden, die „ihre, von anderen unterschiedlichen Interessen“ beeinträchtigen (zB detaillierte Bestimmungen in der Raumordnung, der Bauordnung, der Wohnbauförderung, der unternehmerischen Wirtschafts- und Standortförderung), fehlen auch hier zur Begründung.

Natürlich ist in letzterem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass „homogene“ Aufgabenerfüllungen, die im Sinne der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“  tatsächlich „gleich“ bereitzustellen sind, also „einheitlich determiniert werden können“, nur mehr nach „minimalen Kostenüberlegungen“ der jeweils günstigsten „geeignetsten“ Organisationsebene organisiert werden können. Dort aber, wo „Entscheidungsspielräume“ möglich, erwünscht und ökono-misch sinnvoll, ja vielleicht sogar nötig sind, müssen neben den Abwägungen auf Seiten der Entscheider und Verwalter jene auf Seiten der Bürger berücksichtigt werden. Diese Über-legungen sind in den historischen, wie auch räumlichen Kontext zu stellen. Überhöht werden derartige Überlegungen letztlich auch von gesamtgesellschaftlichen (zB Gewaltenteilung, Demokratie, Subsidiarität), wie auch gesamtwirtschaftlichen Systementscheidungen (zB Wett-bewerb zwischen Systemen bzw Verwaltungseinheiten). Wird heute zB geordneter Standortwettbewerb als effizientes Instrument der Unternehmensansiedlung akzeptiert, so sind Ent-scheidungsspielräume in der Raumordnung auf allen Ebenen sinnvoll und nötig.
Wie Horst Zimmermann  in seinem jüngsten Buch „Kommunalfinanzen“ ausführt, hat sich die bundesdeutsche Gebietsreform der 1970er Jahre weitgehend auf die „verwaltungsmathe-matischen Berechnungen“ von Größendegressionen in der öffentlichen Aufgabenerfüllung gestützt, vernachlässigte aber, die „Ballungs- und Frustrationskosten“ gegenzurechnen. Wäre diese Gegenrechnung erfolgt, so hätte die Gebietsreform anders ausgesehen und geendet. Offensichtlich, so Zimmermann, bestätigte sich wiederum die angelsächsische „Weisheit“ „What’s quantified, gets done“.
Eine interessante Begründungsdiskussion zur österreichischen Bundesstaatsreform leistet Herbert Haller zuletzt in den Salzburger Nachrichten . Er verweist einleitend darauf, dass Bayern als Bundesland der BRD 12 Mio Einwohner habe, wogegen Österreich sich mit seinen nur 8 Mio Einwohnern in 9 Bundesländer, teilweise von nur geringer Größe, gliedere. Sie alle haben eigenständige Gesetzgebungskompetenzen und damit Parlamente, die Landtage. Aus-fluss dieser Gesetzgebungskompetenzen aber wäre allzuoft, dass einem Grundsatzgesetz des Bundes 9 unterschiedliche Ausführungsgesetze der Bundesländer folgen , deren Unterschied-lichkeit die Sinnhaftigkeit der Kompetenzverteilung aufwerfe. Zum Unterschied von anderen Wortmeldungen spricht sich Haller jedoch für die Beibehaltung der Länder aus, und schlägt eine Aufwertung des Bundesrates durch ein ihm eigenes „Aufgriffsrecht“ und einer daraus folgenden bundesrätlichen „Länderbedarfsgesetzgebung“ vor. Sein Schluss bezüglich der ökonomischen Dimensionen (die rechtlichen seien hier ausgeblendet): „Im Prozess der Globali-sierung gewinnt auch der Wert der Zugehörigkeit zu kleineren Verbänden. Dem Druck auf Reduzierung der Länder oder hin zu einem reinen Vollzugsföderalismus könnte mit der Möglichkeit zum einheitlichen Landesrecht begegnet werden“, was auch ein Nachdenken über eine personelle Reduktion der Landtage oder sogar ein Mehr an Landeskompetenzen erlauben würde.

Im folgenden unternehmen die Autoren den Versuch, aus einer differenzierteren ökonomischen Sicht Argumente gegenüberzustellen, die bei der Beurteilung von Zentralisierungs- bzw Dezentralisierungsdiskussionen berücksichtigt werden sollten.
An dieser Stelle sei unterstrichen, dass diese Ausführungen keine umfassende, schon gar nicht umfassende empirische Analyse bedeuten. Sie stecken aber den Gesamtrahmen einer finanz-wissenschaftlich-ökonomischen Analyse ab, machen auf weitere Beurteilungsnotwendigkeiten des Untersuchungsobjektes aus anderen wissenschaftlichen Gebieten aufmerksam (zB der Rechtswissenschaft, der Politikwissenschaft) und verweisen auf realitätsbezogene Ergebnisse ökonomischer Untersuchungen.

2) Die leitenden Prinzipien der Finanzwissenschaft in der Föderalismusdiskussion
Der Ökonom bzw Finanzwissenschaftler leitet aus bestimmten Ausformungen eines föderalistischen Systems einige grundsätzliche Merkmale ab, wobei deren Interdependenz zu beachten ist: 

a) Grundsätzliche Merkmale des Föderalismus
Für die Dezentralisation als Synonym für Föderalismus und damit als „Nutzen des Föderalismus“ werden in der Literatur überwiegend folgende >Vorteile< angeführt:

  • sie fördert Gemeinschaftsgeist, Zusammengehörigkeit und Nachbarschaft (also Altruismus) sowie Selbstverantwortung
  • sie fördert über die Entsprechung der „fiskalischen Äquivalenz“ ökonomische Effizienz 
  • sie fördert Lern- und Anpassungsfähigkeit sowie Anpassungsgeschwindigkeit an sich ändernde (lokale) Bedürfnisse und Präferenzen
  • sie fördert Demokratie, politische Verantwortung und Kontrolle durch verstärkte Partizi-pation und Bürgernähe (Steigerung der Mitsprache, Mitwirkung und Kontrolle durch die Bürger)
  • sie fördert Anreize zur Innovation und zum Experiment.
  • Gegen die Dezentralisation und damit als „Kosten des Föderalismus“ werden aber in der Literatur auch, durchaus widersprüchliche, >Nachteile< aufgezeigt:
  • sie produziert Unterschiedlichkeiten in der Güter- und Leistungsbereitstellung sowie in der fiskalischen Belastung in einer Volkswirtschaft
  • sie resultiert in ineffizienten ökonomischen Organisationsgrößen und verursacht damit spillovers, aber auch Nicht- bzw suboptimale Bereitstellung unteilbarer öffentlicher Leistungen und verhindert die Ausnutzung von Kostendegressionen in der Steuer- und Gebührenverwaltung
  • sie fördert „Trägheit“ und Inflexibilität. 
b) Trennungsnotwendigkeit von Verfahren und Bereitstellung
Im Unterschied zur traditionellen Theorie des Föderalismus  verweisen neuere Ansätze  darauf, dass im Rahmen der Musgrave'schen staatlichen Hauptaufgabenerfüllungen - Allokation, Umverteilung und Stabilisierung - einerseits die Grundlagen der Bereitstellung der öffentlichen Güter und Leistungen, nämlich die Verfahrensregelungen (Verfassung, Einrichtung der Bereitstellungsorgane, Repräsentations- und/oder Abstimmungsregeln etc) zur Entscheidung über die Bereitstellung, andererseits die Bereitstellung selbst, jedoch in ihrer räumlichen Ausformung zu berücksichtigen sind. Im Nachhang zu Buchanan/Tullock (1962) und Breton/Scott (insbes 1978) und in Anlehnung an die Transaktionskostentheorie hat Thöni (1986) die Kosten des Verfahrens als Organisationskosten zusammengefasst und darunter neben 
  • Verwaltungs- und Koordinationskosten auf Seite der Politiker bzw Entscheider auch die
  • Präferenzäußerungs- und Mobilitätskosten auf Seite der Wähler bzw Bürger formuliert. 
Diese Organisationskosten verkomplizieren sich, wenn desweiteren das Entscheidungsver-halten verschiedener Akteure, wie Politiker, Bürokraten, Lobbies etc., wie auch Differenzie-rungen nach Teilaufgabenerfüllungen und Umweltfaktoren, wie Konfliktgrade, Kapazitäten, Kompetenzen und Handlungsspielräume in die Betrachtung einbezogen werden. 
Wurden also in den früheren Theorien gutsspezifische, und damit alleinig entscheidungser-gebnisorientierte Kosten und Nutzen, ds die Ressourcenkosten (und -nutzen) der Bereit-stellung, als Kriterien der Aufgaben- und Finanzierungsordnung herangezogen, so verweisen die neueren Ansätze darauf, dass darüber hinaus Organisations- bzw Verfahrenskosten (und -nutzen/-missnutzen), ds die Präferenz- oder Frustrationskosten, zu berücksichtigen sind (siehe dazu auch Biehl 1991, 1999).
Allen diesen Kosten und Nutzen in Einzelfällen nachzugehen und daraus allgemeine Bestim-mungsfaktoren föderalistischer Entscheidung und Bereitstellung zu erarbeiten, die als Kriterien einer Reform dienen können, erscheint unserer Ansicht nach die wichtigste und weiterhin bestehenbleibende Aufgabe von ökonomischen Analysen über das Föderalismusproblem.. Dabei ist auch zu beachten, dass sich der föderalistische Staatsaufbau dynamisch verändert und damit seine Bestimmungsfaktoren einem Wandel unterliegen.

c) Föderalistische (Sub)prinzipien
Die ökonomische bzw finanzwissenschaftliche Analyse der Aufgabenerfüllungs- und Finanzierungsverteilung in föderalen Ländern bedient sich folgender Beurteilungskriterien in Form föderalistischer (Sub-)Prinzipien.

Als die wichtigsten werden die folgenden zusammengefasst: 

  • Das klassische Prinzip der horizontalen und vertikalen Gewaltenteilung 

  • Die horizontale Gewaltenteilung wird als das Grundprinzip jeder Demokratie im Sinne der Beschränkung der staatlichen Macht bzw des staatlichen Machtmonopols verstanden. Unter der vertikalen Gewaltenteilung werden zumeist zwei Gedanken der Begründung des Föderalismus diskutiert. In einer politischen Grundentscheidung wird einerseits „Macht geteilt“ und „Kontrolle vermehrt“ (Esterbauer/Thöni 1981, 23), andererseits auf heterogene Gegebenheiten der Bevölkerung, wie verschiedenartige religiöse, ethnische und andere Zusammensetzungen gemäß ihrer unterschiedlichen Präferenzen Rücksicht genommen (Biehl 1991, 364). Ein typisches Beispiel derartiger Rücksichtnahme stellt wohl Belgien dar. Ohne die „Teilung“ des Landes in 4 „Subeinheiten“ wäre die Existenz dieses Staates wohl tagtäglich in Frage gestellt. Das Spektrum der vertikalen Gewaltenteilungslösungen reicht dann von konföderalen, bis hin zu „unitarisch-bundesstaatlichen“ Staatsaufbauten.
     
  • Das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz sowie der Übereinstimmung von Nutzenstreuung und Hoheitsgebiet

  • Olson (1969) zeigt auf, dass ökonomisch dann eine optimale föderale Gliederung gegeben ist, wenn die Kollektive, die Entscheidungen über die Bereitstellung treffen, alle Begünstigten, Betroffenen und Beteiligten umfassen (Thöni 1986, 37 f). Da die bereitgestellten Güter und Leistungen im Raum streuen, sollte das Hoheitsgebiet das Gebiet der Nutzenstreuung umfassen. Biehl (1991, 366) nennt ersteres das Korrespondenzprinzip, letzteres das Kongruenzprinzip.
    Fallen Territorium und Nutzenstreuungsbereich auseinander, kommt es zu externen Effekten, auch spillovers (in Form der spillouts und -ins) genannt. Im Falle der spillouts kommen zB Bürger außerhalb des Hoheitsgebietes in den Nutzen des betreffenden Gutes, ohne aber zur Deckung der Kosten beizutragen. Es sollte deshalb der Versuch unternommen werden, sämt-liche externen Effekte zu internalisieren, dh Nutzenempfänger und Kostenträger in Überein-stimmung zu bringen. Letztlich ergäbe sich daraus eine Vielzahl von optimalen Bereitstellungsorganisationen („single issue organisation“). Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass es sinnvoll wäre, für jede einzelne Funktion bzw Aufgabe eine jeweils unter-schiedliche Bereitstellungsorganisation zu schaffen. 
    Die Viel- oder Unzahl solcher Organisationen wäre von staatlicher oder auch von privater Seite nicht mehr organisierbar, aber auch für den Bürger nicht mehr überschaubar und mitbestimmbar. Auch sind mit der Einrichtung der vielfältigen Bereitstellungsorganisationen unter-schiedliche, in vielen Fällen hohe Fixkosten verbunden. Deshalb werden in der Realität verschiedene Aufgabenbereiche und Einzelaufgaben zu einer multifunktionalen Regierungsein-heit (Jurisdiktion) zusammengefasst. Dies erfolgt insbesondere bei gleicher räumlicher Streuung der Nutzen verschiedener Aufgaben, aber auch in den Fällen, in denen die Kosten der spillovers niedriger sind als die Kosteneinsparungen bei stärker dezentralisierter Bereitstellung (Bündelungsprinzip; Fusionsprinzip, Prinzip der optimalen Kompetenzausstattung bei Biehl 1991). 
     
  • Das Prinzip der Ausnützung der economies of scale

  • Ein Prinzip, das dann von Relevanz wird, wenn die Bereitstellung durch die öffentlichen Institutionen mit „eigener Produktion“ zusammenfällt, ist jenes der Berücksichtigung der economies of scale. Das Prinzip lautet dabei, dass das Produktionskollektiv so groß sein soll, dass die Kostendegressionen optimal ausgenützt werden und damit zu minimalen Stückkosten produziert wird (Thöni 1986, 42 f).
    In der Realität zeigen sich jedoch erhebliche Schwierigkeiten, diesen Grundsatz anzuwenden. Ein grundsätzliches Problem stellt noch immer das geringe Wissen um die tatsächlichen Kostenverläufe der Produktion öffentlicher Güter und Leistungen dar. Empirische Unter-suchungen verweisen sowohl auf Kostendegressionen, U-förmige Verläufe von Kostenfunk-tionen, als auch Kostenprogressionen (zB öff. Personen-Nahverkehr, Kanalisierung je nach räumlicher Dichte).
    Besteht zudem die Möglichkeit, das Gut oder die Leistung bei anderen (uU privaten) Produzenten zu erwerben, entfällt das Argument der Suche nach der optimalen Kollektivgröße überhaupt.
    Letztlich, und dies ist in diesem Zusammenhang besonders zu unterstreichen, vernachlässigt das Argument der Kostendegression vollständig die Nachfrageseite.
  • Das Subsidiaritätsprinzip

  • Dieses bekannte Prinzip fordert aus ökonomischer Sicht, dass die untere oder kleinere Gebietskörperschaft dann Vorrang in der Bereitstellung öffentlicher Güter und Leistungen haben soll, wenn die Präferenz- oder Frustrationskosten eine gegenüber Produktions-/ Bereit-stellungskosten, bedeutsame Rolle spielen und damit gesenkt werden können (Biehl 1991, 368 f).
    Dieses Prinzip wird sogar so weit interpretiert, dass im Konfliktfalle - dh wenn die Bereitstellungskosten stärker steigen als die Präferenzkosten sinken -, die Präferenzkosten stärker gewichtet werden und die Aufgabenerfüllung auf der unteren Ebene verbleibt.
    Ein besonderes Problem der Anwendung dieses Prinzips zeigt der Fall der Interpretationen zum „Subsidiaritätsprinzip“ in den EU-Verträgen. Im Unterschied zur obigen Darstellung, werden die EU-Verträge in Teilen auch wie folgt interpretiert: Wenn immer die EU-Ebene Aufgaben gleich gut oder besser als die nationalen Ebenen erfüllen kann, sollte sie die Auf-gabenerfüllung übernehmen. Inzwischen wird aber mehrheitlich die  Interpretation einge-fordert, dass, sollte die EU Aufgaben aufgreifen bzw übernehmen wollen, sie und nicht die nationalen Ebenen den Nachweis der „Vorteilhaftigkeit“ zu erbringen hat.
     
  • Das Prinzip der optimalen Kompetenzdifferenzierung

  • Wie die Realität zeigt , ist es notwendig, „Voll“-Kompetenzen von „Teil“-Kompetenzen zu unterscheiden, die verschiedenen Ebenen zugeordnet sind bzw werden. Im Falle der Zuordnung an mehrere Ebenen folgt, dass die einzelnen Ebenen nicht mehr autonom in der Wahrnehmung der Teilaufgabenerfüllung sind. Vielmehr sind die Aufgaben dann nur mehr in Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Körperschaft zu erfüllen. In Konsequenz folgt fast zwangsläufig das Problem der Transaktionskosten der „Politikverflechtung“. Bei der Abwägung, wann die Vorteile der Kooperation die Nachteile der Politikverflechtung über-wiegen, kommt es wiederum in hohem Maße auf die Präferenzäußerungskosten an (Biehl 1991, 370).
    So kann zB die Steuerhoheit nach Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit geteilt und in verschiedenen Kombinationen den Ebenen überlassen werden. 
    Wird nun eine eigene „Steuerhoheit“ der Länder und/oder Gemeinden befürwortet, so stellt sich zunächst die Frage nach den anzuwendenden Regimen: Konkurrenzsystem, ungebun-denes Trennsystem, gebundenes Trennsystem (Hebesatzrecht, Ausschreibungsrecht, oft auch als >Beschlussrecht< bezeichnet), Zuschlagssystem, Verbundsystem. Die verschiedenen Regime unterscheiden sich hinsichtlich Entsprechung eines umfassenden Steuerautonomiegedankens iS unbeschränkter eigenverantwortlicher Entscheidung, Streuung des Steueraufkommens auf der gleichen, aber auch auf den verschiedenen Ebene(n), die Überbeanspruchung möglicher Steuerquellen, Doppel- bzw Mehrfachbesteuerungen, ergänzender, notwendiger (Transfer-)Maßnahmen, stabilitätspolitischer Verhaltensweisen, Duplikationen von Steuerverwaltungen.
    Wählt man ein Verbundsystem, wie es in Österreich überwiegend gegeben ist, dann muss klar sein, dass Nutzer und Zahler auseinanderfallen, was eine Tendenz zur „Überbesteuerung“ aus-lösen kann. Die „mit Überweisungen beteilten Körperschaften“ und ihre Politiker können sich ihrer steuerpolitischen Verantwortung gegenüber dem Wähler entziehen und sich, wie in Öster-reich den Ländervertretern vorgeworfen, hinter dem „Steuereintreiber“ Bund verstecken.
  • Das Prinzip der gerechten Lastverteilung

  • Hinsichtlich der Verteilung der Lasten der Finanzierung öffentlicher Güter und Leistungen ist darauf zu achten, dass Regionen mit hoher Steuerkraft von solchen mit geringer zu unterscheiden sind. Hieraus folgt, dass neben dem fiskalischen Äquivalenzprinzip auch ein kollektives Leistungsfähigkeitsprinzip und damit ein Finanzausgleich ieS aufgrund gegebener Gerechtigkeitsnormen zum Tragen kommen muss. Ein vollständiges Überlassen der jeweiligen Steuerkraft (örtliches Aufkommensprinzip) führt in reichen Regionen tendenziell zu einem Überangebot an öffentlicher Güter- und Leistungsbereitstellung (siehe dazu auch Biehl 1991, 372 f) und vice versa zu einem Defizit in armen Regionen. 
3) Österreichische Bundesstaatsreform
Wie Pernthaler ausführt (1984, 50), fußt der österreichische Bundesstaat,wie andere auch - die USA, die Schweiz, die BR Deutschland -, auf Wertvorstellungen. Subsidiarität, Gewaltenteilung, Bewahrung der territorialen Autonomie und Eigenart der Länder wurden auch im Österreich nach 1945 kompromisshaft verwirklicht, wenngleich die Ursprünge des Bundesstaates im österreichischen Föderalismus besonders in der jahrhundertelangen Eigenentwicklung der österreichischen Länder zu sehen sind (Pernthaler 1988, 62 ff).
Insbesondere heute ist aber die Notwendigkeit einer Generalreform der bundesstaatlichen Aufgaben- und Finanzierungsverteilung in Österreich, das von außen oft auch als „unitarischer Bundesstaat“ bezeichnet wird (bereits Bennett 1985), aufgrund ihrer Mängel unbestritten - „nur über die Wege zum Ziel ist man sich nicht einig“. Die einen verlangen mehr Zentralisierung, die anderen mehr Dezentralisierung. 
Betont soll hier aber werden, dass es sich weder um die einseitige Übertragung von Zuständigkeiten auf die österreichischen Länder noch um die alleinige Forderung nach Zentralisierung handeln kann. Die obige Diskussion verweist darauf, dass tiefgehender und umfassender anzusetzen ist. Dazu sollte es einen Konsens geben.

a) Öffentliche Aufgabenerfüllung
Zum Zwecke der Schaffung eines „aufgabengerechten Finanzausgleichs“ wären vorab die wichtigsten Aufgabenbereiche im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zu überprüfen und zuzuordnen (Finanzausgleichsdilemma der Privatwirtschaftsverwaltung).
”In addition to this, the Austrian intergovernmental arrangements do know, what one calls „cost-shifting“ and „cost-sharing“ („grey financial settlement“)-arrangements. „Cost-shifting“ on the one hand is a concept within which one level bears or is forced to bear the costs of another level. „Cost-sharing“ on the other hand is a concept by which more than one level are fulfilling jointly a function. This led to numerous joint task fulfillments inside and outside („grey financial settlement“) the normal constitutional provisions and to a separation of cost bearing and task fulfillment responsibility”. (zuletzt Thöni 1999)

b) Der Zentralisationsgrad der Besteuerung (Bös 1980, Thöni 1986b)
 Rund 93% des Steueraufkommens werden in den letzten Jahren hinsichtlich der „Steuergesetz-gebung“ vom Bund determiniert. 
 Insgesamt ähnelt, worauf Bös (1980) verwies, die Überbetonung der Rechte des Bundes in vielen Punkten [Kompetenz-Kompetenz, Zentralisationsgrad der Besteuerung, „cost-shifting“ and „cost-sharing“ („grey financial settlement“)] der Stellung eines Prinzipals, der Länder und Gemeinden als Agenten hält. Dabei soll aber nicht verkannt werden, dass die öster-reichischen Bundesländer und Gemeinden durch die „mittelbare Bundesverwaltung“ eine bedeutendere Rolle spielen als ihnen zunächst nach Aufgaben-(Ausgaben-) und Finanzierungs-verteilung formal zukommt.

c) Fiskalische Äquivalenz
Der hohe Grad an direktiver (zwangsweiser) Koordination durch den Bund bedeutet für die Länder wie auch die Gemeinden eine sehr beschränkte Möglichkeit der eigenen Abstimmung von Finanzbedarf und Finanzkraft (Smekal/Theurl 1990), und damit der Abstimmung regio-naler und lokaler Präferenzen und ihrer Bedeckung (fiskalische Äquivalenz).
Abschließend sei aber nochmals betont, dass die Realität immer komplexer ist als in der theo-retischen Diskussion meist angenommen wird. Worauf bereits oben verwiesen wurde: Reduk-tion von Kosten bleibt Diskussionstatbestand, jedoch ist zwischen naiver, populistischer Reduktion und wissenschaftssystematischer Diskussion zu trennen - letztere ist, was oft nicht gesehen wird, bereits realitätsbezogener!!!



Literatur
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