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Arbeiten bis zum Umfallen?
Mittwoch, 8. Dezember 2010
(pr) Eine Reihe von ExpertInnen lud die steirische Arbeiterkammer am 30. November zum „Stiftingtaler Gespräch“, um die aufgehende Schere zwischen steigendem Pensionsantrittsalter und einer alternsgerechten Organisation der Arbeit zu diskutieren.
Gastgeber und Kammerpräsident Walter Rotschädl mahnte ein, dass Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz und entsprechende Diversifizierung der Arbeitsorganisation von der Ausnahme zur Regel werden müssen, wenn sichergestellt sein soll, dass die Werktätigen ihren Pensionsantritt bei Gesundheit erleben können. Derzeit können lediglich zwei Drittel der Werktätigen den Ruhestand aus einem aufrechten Dienstverhältnis heraus antreten. Jährlich sind in Österreich etwa 30.000 Menschen gezwungen, Invaliditäts- bzw. Erwerbsunfähigkeitspension in Anspruch zu nehmen.

„Gesundheitsförderung ist die beste Pensionsreform.“ Ohne entsprechende betriebliche Gesundheitsvorsorge und gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeit, so Rotschädl, wird die Formel „Arbeiten bis 67“, die ja angeblich die zukünftige Finanzierung des Pensionssystems garantieren soll, leer bleiben. Gesundheitsförderung in den Betrieben ist die beste Pensionsreform“, so der AK-Präsident.
Die Kammer werde nicht ruhen, die Dienstgeber diesbezüglich in die Pflicht zu nehmen. Die Arbeitsforscherin Gudrun Biffl (Donauuniversität Krems) merkte an, wie sehr der aktuelle Arbeitsmarkt auf die 35- bis 45-Jährigen fokussiert ist. Die alternsgerechte Gestaltung der Arbeit sei ein Gebot im Sinne des Lissabon-Prozesses zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Biffl hat in einer Studie nachgewiesen, dass berufliche Belastungen einen großen Einfluss auf vorzeitige Pensionierungen haben – 33 Prozent aller Frühpensionierungen sind auf Muskel-Skelett-Erkrankungen, 13 Prozent auf Kreislauferkrankungen zurückzuführen. Für psychische Erkrankungen (27 Prozent der Frühpensionierungen) sei der geringe Handlungsspielraum bei der Arbeit verantwortlich.
Alternsgerechte Arbeitsorganisation – ein Märchen. Eine Rückentwicklung beim Prozess der Humanisierung der Arbeitswelt ortet der Arbeitsmediziner Georg Wultsch. Mit der „Subjektivierung“ der Arbeit, einem „flexiblen Taylorismus“, steigern sich die für die menschliche Natur zunehmend unverträglicheren Bedingungen in der Arbeitswelt: immer kürzere Verweildauer in Dienstverhältnissen,  Vollausbeutung und Überstundenabbau in stetem Wechsel, Tendenz zur „Projektarbeit“ mit oft unklaren Rollenverteilungen in den Teams benennen nur einen Teil der Misere. Wultsch kennt nur wenige Unternehmen in Österreich, die der Forderung nach der Schaffung alternsgemäßer Arbeitsbedingungen bis jetzt nachgekommen sind.
Der steirische Schlafforscher Manfred Walzl sieht Arbeit unter den Rahmenbedingungen globalisierten Wirtschaftens als generell belastend, weil ein Klima der latenten Verunsicherung entstanden sei. Das zeigt fatale Auswirkungen, weiß der Mediziner: 37 Prozent aller Europäer leiden bereits an Schlafstörungen, in den USA sind es 75 Prozent! Und: Jede/r Vierte klagt über Vereinsamung am Arbeitsplatz.
Für Mag.a Sabrina Kucera vom Fonds Gesundes Österreich stellt die Gesundheitsförderung im Betrieb eine Win-Win-Situation her: „Arbeitgeber erhöhen die Produktivität durch Verminderung teurer Fehlzeiten, die Beschäftigten profitieren durch eine bessere Gesundheit.“ Der Fonds bietet inhaltliche Hilfe und fördert Pilotprojekte zur Einführung betrieblicher Gesundheitsförderung.
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