05/2001
 
 
KORSO verlost in Kooperation mit der Neuen Galerie monatlich 5 x 2 Eintrittskarten für die Ausstellung beim Kulturquiz und bringt in den nächsten Ausgaben Kurzdarstellungen der Biographien von einigen der ausgestellten KünstlerInnen.
 
Franz Schacherl (1895 – 1943)
Die Kultur der Sachlichkeit, Reinlichkeit und Klarheit“

Der aus einer jüdischen sozialdemokratischen Familie stammende Schacherl – sein Vater, der Arzt Michael Schacherl, war Reichsrats-, später Nationalratsabgeordneter und Chefredakteur des steirischen „Arbeiterwillen“ – studierte in Graz Architektur und begann seine Architektenkarriere als Planer von Selbsthilfe-Siedlungsanlagen in Wien. 1924 entsteht die „Schutzbund-Siedlung“ in Knittelfeld mit ca. 24 Häusern nach seinen Plänen. Für den Mentor der österreichischen Architektur-Kritik, Friedrich Achleitner, zeigt sie „in überzeugender Weise, wie mit bescheidenen Mitteln städtebauliche Qualitäten erzeugt werden können.“ Als Architekt des „Verbandes der Siedler, Kleingärtner und Kleintierzüchter“ plante Schacherl gemeinsam mit Franz Schuster eine Reihe von Arbeitersiedlungen in Wien mit jeweils weit über 100 Häusern. Insgesamt entstanden moderne Siedlungsbauten mit zusammen 1200 Häusern, Volkswohnbauten, Kinderheime, Genossenschaftshäuser und Arbeiterheime nach den Plänen Franz Schacherls.
 

Siedlung Laabergerstraße 168-202, Wien (1927)

Gegen den „Hochhausbau“
Schuster und Schacherl stehen mit ihrem Engagement für die „Gartenstadt“ in Opposition zu den Hauptströmungen der Wohnbaupolitik des „Roten Wien“, die sich in beeindruckenden Großbauten wie dem Karl-Marx-Hof manifestiert. Sie wenden sich gegen die Monumentalität und den Pathos der „Volkswohnpaläste“ ebenso wie gegen verlogene Romantik und Spießbürgertum in der Arbeiterbewegung. 
 

Schutzbundsiedlung Knittelfeld (1924)

In einem Artikel für das theoretische Organ der Sozialdemokratie, den „Kampf“, schreiben sie: „Der große Organisator, der Gewerkschaftsführer, der Politiker, der organisierte Arbeiter … hat in seiner Wohnung den verlogensten, unbrauchbarsten und überflüssigsten Kleinkram der kleinbürgerlichen Welt …Die proletarische Wohnung wird eine eigene Form bekommen, einen eigenen Stil und eine eigene Kultur. Die Kultur der Sachlichkeit, der Reinlichkeit und der Klarheit …“
 

Sesseltyp für Siedlungsbauten

Kurzfristig gibt Schacherl gemeinsam mit Schuster die Zeitschrift „Der Aufbau – Österreichische Monatshefte für Siedlung und Städtebau“ heraus, deren erklärtes Ziel es ist, für einen neuen Impuls in Richtung „Gartenstadt“ zu wirken und den „Hochhausbau“ (damit sind auch die gigantomanischen Wiener Arbeiterwohnblöcke gemeint) zu beenden.

„Für einen höheren, unhistorischen Klassizismus“
Mit der Ausschaltung des Parlaments 1933 durch Dollfuß und dem 1934 folgenden Verbot der Sozialdemokratie bleiben auch die Aufträge für Schacherl aus, zunächst kann er sich noch durch Kurse an Wiener Volkshochschulen, dann nur mehr durch kunstgewerbliche Tätigkeiten über Wasser halten. In dieser Zeit der „inneren Emigration“ entsteht das „Hausbuch“, ein künstlerisch gestaltetes Gästebuch, das zwischen 1934 und 1937 private und politische Ereignisse dokumentiert und zu dem zahlreiche KünstlerInnen aus dem Freundeskreis Schacherls Beiträge geliefert haben.
 

Collage zum Februaraufstand im "Hausbuch" (1934)

1937 und 1938 nimmt Schacherl am Redaktionskollektiv des „Plan“ teil, einer avantgardistischen und antifaschistischen Zeitschrift für Kunst und Kultur, die vor dem „Anschluss“ erstmals erschien, dann verboten wurde und nach ihrem Wiedererscheinen nach dem Krieg legendären Ruf erlangte. In der ersten Ausgabe veröffentlicht Schacherl einen programmatischen Beitrag „Über zukünftiges Bauen“: Darin tritt er für „eine neue Formsynthese, einen höheren, unhistorischen Klassizismus“ ein.

Tod in Afrika
Schon am 17. März 1938 flüchtet Schacherl nach Paris, nachdem die Gestapo sein Atelier am Reumannplatz durchsucht hat. Über Vermittlung der Pariser Rothschilds gelangt er mit seiner Familie nach Angola, wo er für die portugiesische Regierung Spitäler und Regierungsgebäude errichten soll. In der lokalen Presse wird er zwar mit Vorschusslorbeeren bedacht – aber für die Projekte ist, so stellt sich bald heraus, kein Geld vorhanden. Im Mai 1943 erliegt seine Tochter Magda wegen mangelnder medizinischer Hilfe den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs; am 28. Oktober desselben Jahres stirbt Franz Schacherl in Luanda während einer Operation wegen eines durchgebrochenen Magengeschwüres.

Der vorliegende Artikel folgt dem Beitrag Günter Eisenhuts im Ausstellungsband Moderne in dunkler Zeit. Widerstand, Verfolgung und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler 1933-1948. Hrsg. Von Peter Weibel und Günter Eisenhut. Mit Beiträgen von Gerhard Botz, Gertrude Celedin, Günter Eisenhut, Antje Grancy, Heimo Halbrainer, Günther Holler-Schuster, Peter Weibel, Jan Tabor u.a. ISBN 3-85420-564-3. Graz: Droschl 2001, ca. 650 Seiten, 850 Abb., öS 490,-.
 
Dauer der Ausstellung: 24. März - 30. Juni 2001 
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr 


Enormes Publikumsinteresse bei der Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“: Mehrere hundert Personen drängten sich in den Räumlichkeiten der Neuen Galerie, um bei der Eröffnung der ersten Schau über die verfemte steirische Avantgarde der Zwischenkriegszeit dabeizusein. 

Leiter des Forschungsprojektes: Peter Weibel 
Idee, Recherche: Günter Eisenhut 
Kurator: Günther Holler-Schuster 
Ausstellungsarchitektur: Erika Thümmel 
Plakatsujet: Karl Wiener, „Collage“, 1941 (Historisches Museum der Stadt Wien) 

Eintrittspreise: Erwachsene: ATS 60.–; Senioren / StudentInnen / Schülerinnen / Lehrlinge / Behinderte / Präsenz- und Zivildiener: ATS 40.–; 
Familienkarte (2 Erw. und Kinder bis 15 Jahre): ATS 100.–; Gruppenkarte (ab 7 Pers.): ATS 40.– pro Person; Schulklasse (pro SchülerIn): ATS 10.–; Führungskarte: ATS 20.– 
Kunstvermittlung: Erlebnisorientierte Führungen für Schulklassen mit Gewinnspiel 
Führungen: So 11 Uhr, Do 18 Uhr und gegen Voranmeldung 
Voranmeldung für Gruppen unbedingt erforderlich! Tel. 0316-82 91 55-93 11 (Christian Krump) 

Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum 
8010 Graz, Sackstraße 16, 
Tel. 0316-82 91 55, Fax 0316-81 54 01 
e-Mail: post@neuegalerie.stmk.gv.at 
Web: http://www.neuegalerie.at

Hier finden Sie Näheres zu allen behandelten KünstlerInnen!

 
MAI-AUSGABE DIE ANDERE STEIERMARK