korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
10/2005
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    Indien: Fairer Handel als Ausweg?


Die indische Handelsorganisation TARA ist ein Partner von EZA (österreichische Entwicklungszusammenarbeit) und exportiert seit den siebziger Jahren kunsthandwerkliche Produkte nach Westeuropa und die USA, die dort in den Weltläden zu fairen Handelspreisen verkauft werden. TARA bedeutet „Trade Alternative Reform Action“ und wurde vor rund 25 Jahren von Lehrern und Studenten der Jamia Milla Universität (New Delhi) gegründet.

Faire Bedingungen für unterprivilegierte ArbeiterInnen
Die Ursprünge des Projekts – eine Organisation, die sich um einen fairen Handel zwischen asiatischen Produzenten und westlichen Konsumenten bemüht – liegen in den damals wie heute schlechten Arbeitsbedingungen der Menschen in Indien. Die ArbeiterInnen von TARA kommen aus der ärmsten Bevölkerungsschicht, von den „Unberührbaren“ (Pariah). Das Kastensystem wurde zwar offiziell in Indien vor langer Zeit abgeschafft; am Land ist es jedoch noch stark verankert und bestimmt die Lebensbedingungen der Bevölkerung von Geburt an.

Fairer Handel sorgt für gute Arbeitsbedingungen der indischen Kunsthandwerkerinnen

TARA versucht, die Arbeits- und Lebensbedingungen seiner rund 400 Mitarbeiter langfristig zu verbessern. Die indische Handelsorganisation exportiert heute Kunsthandwerk – Schmuck, Specksteinartikel, Perlenstickereien und verschiedene andere Ziergegenstände – aus den vier Provinzen Ultan Pradesh, Delhi, Maryama und Rafasthan, wo nach den Richtlinien des fairen Handels produziert und verkauft wird.

Fairer Preis für hochwertige Produkte
Moon Sharma, Präsidentin von TARA, die in Begeleitung von Shaista Begum, einer Perlenstickerin aus Delhi, als Vertreterin für TARA im September Österreich besuchte, betonte die „hohe Qualität der indischen Kunsthandwerkprodukte, die den ProduzentInnen am Herzen liegt. Sie wollen kein Mitleid, sondern ihre Produkte wegen der hohen Qualität zu einem gerechten Preis verkaufen.“
Nur faire Handelsprodukte schaffen faire Arbeitbedingungen – gerechte Löhne, keine Kinderarbeit, ein Gesundheitssystem, Bildungsmöglichkeiten, einen gefahrenfreien und gesunden Arbeitsplatz – und sorgen für Selbstbewusstsein der ArbeiterInnen. Gerade in der noch sehr traditionellen indischen Gesellschaft sind die ökonomischen, aber auch sozialen Aktivitäten von TARA von großer Bedeutung.

Benachteiligung der Frauen bekämpfen
„Die meisten der 400 MitarbeiterInnen sind Frauen. Viele von ihnen sind strenge Muslime oder Hindus, die nach strengen Traditionen leben, die den Frauen die Arbeit außerhalb der eigenen vier Wände untersagt. TARA gibt ihnen die Möglichkeit, in einer Gruppe in einer der Heimwerkstätten zu arbeiten und an den Schulungen teilzunehmen. Außerdem werden Räumlichkeiten und Lehrerinnen organisiert, damit diese Frauen – viele von ihnen Analphabeten – schreiben und lesen lernen“, so Moon Sharma. Für uns kaum vorstellbar lebt vor allem die arme Bevölkerung noch stark in der Tradition nach der die Geburt jedes Sohnes gefeiert, jedoch die einer Tochter als finanzieller Schaden beklagt wird.

Selbstbewusstsein durch Bildung und gute Arbeitsbedingungen
Die junge Shaista Begum ist Perlenstickerin in einer der 13 Heimwerkstätten. „Bevor ich für TARA zu arbeiten begann, ging es mir und meiner Familie sehr schlecht. Wir verdienten nicht genug Geld und manchmal wurde uns unser Lohn unter einem Vorwand einfach nicht ausbezahlt“, klagt Shaista Begum. „Als ich TARA entdeckte, fand ich einen guten Arbeitsplatz, wo mir auch zusätzlich Weiterbildungsmöglichkeiten, u.a. über Farbe und Design geboten wurden. Anfangs war es sehr schwierig, da ich kritisiert wurde, als ich die Workshops besuchen wollte“, meint die junge Frau, „doch nun arbeite ich in einer Gruppe von 25 Personen, gemeinsam mit meiner Familie und Freunden.“ „Einige der Frauen, die für TARA arbeiten, verdienen dort die Mitgift für ihre Heirat“, erzählt Shaista Begum und zeigt stolz das Foto einer verheirateten Freundin.

Indische Politik verspricht Unterstützung
Die Organisation finanziert sich – ihre zahlreichen Projekte wie den Aufbau von 14 Schulen, verschiedene Kampagnien, u.a. gegen Kinderarbeit, und Informationsarbeit in den Export- und Importländern – ohne Hilfe staatlicher Subventionen oder Spendengelder und schafft gute Arbeitsbedingungen mit fairen Löhnen für ihre MitarbeiterInnen. „Auch von der Politik bekommt der faire Handel zumindest wortreiche Unterstützung“, erklärt Moon Sharma. So sprach der indische Wirtschaftsminister Shri Kamal Nath über die Wichtigkeit der Expansion von „Fair Trade“-Produkten, die in Indien auch Nahrungsmittel, Musikinstrumente und ökologisch hergestellte Baumwollprodukte umfassen. Moon Sharma meint dazu, dass die indische Regierung den fairen Handel durch die Möglichkeit der Teilnahme an internationalen Messen und an Fortbildungen zu fördern versucht. „Eine wichtige Aufgabe, die auch von der indischen Politik wahrgenommen werden muss, ist ein gutes Lobbying für den fairen Handel – TARA versucht dies durch eine Vorbildwirkung zu fördern.“

Wirtschaftlicher Aufschwung geht an den Armen vorüber
„Der Aufschwung der indischen Wirtschaft zum neuen „High-Tech“ Land verändert zwar das Leben der Mittelschicht, wie mancher indischer Universitätsabgänger, und eröffnet diesen die Möglichkeit, in einer westlichen Firma ihr Geld zu verdienen, tangiert die arme Bevölkerung jedoch kaum. Viele arbeiten noch immer unter unmenschlichen Bedingungen. Phänomene wie Kinderarbeit, die illegal ist, stehen an der Tagesordnung und können nur schwer bekämpft werden“, erzählt Moon Sharma über die Situation in ihrer Heimat. „Die Regierung unterstützt zwar alle Maßnahmen gegen Kinderarbeit, kann aber, da die Familien ökonomisch dazu gezwungen sind, kaum dagegen vorgehen“, ergänzt Moon Sharma „Allein in Neu Delhi arbeiten etwa eine halbe bis eine Million Kinder für zwei warme Mahlzeiten am Tag.“ Im System des fairen Handels gibt es keine Kinderarbeit, jedoch müsste es zu umfassenden Änderungen des Wirtschaftssystems, aber auch im Konsumentenverhalten kommen, um eine Verbesserung der Lage für die benachteiligten Schichten in diesen Regionen herbeizuführen.

Barbara Korak

 

 

Weltcafés im Oktober – Dialog mit anderen Kulturen


Die persönliche Begegnung mit Gästen aus Asien, Afrika und Lateinamerika schafft eine Möglichkeit, den Lebensalltag in diesen Ländern differenziert wahrzunehmen.

So gelingt ein „Blick über den österreichischen Tellerrand“. Die Weltcafés finden monatlich im Welthaus Graz oder in den Regionalstellen der Steirischen Entwicklungspolitischen Mediathek - Liezen, Gleisdorf, Mürzzuschlag, Fürstenfeld und Leoben statt.

Ort: Welthaus Graz, Steirische Entwicklungspolitische Mediathek, Grabenstraße 39
Zeit: 13.10. 2005, 19.00 Uhr mit Nubia Rocha Espinosa, Pädagogin, die in EZA-Projekten in Nicaragua arbeitet.

Infos: Weitere Termine und Veranstaltungen unter http://graz.welthaus.at