Home/Start
Dezember 
  Die korso – Sonderausgabe für sozial Tätige und Engagierte
2 0 0 5 
  [Editorial] [Schwerpunkt: Gleichstellung] [Aktuelles] [Veranstaltungen] [Soziallandkarte] [Links]
 

Menschen mit Behinderung:
Ein Schritt näher zur Gleichstellung?

 

Von der breiten Öffentlichkeit bislang weitgehend unbemerkt wird mit dem 1. Jänner 2006 das so genannte Behindertengleichstellungspaket in Kraft treten: Mit seinen Kernstücken in Form des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) und der novellierten Paragraphen 7a bis 7q des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) soll es Menschen mit Behinderung vor allen Formen von Diskriminierungen schützen und ihnen die Möglichkeit geben, entsprechende Sanktionen in allen Fällen objektiv feststellbarer Benachteiligung zu erwirken.

Langwieriger Entstehungsprozess
Die Vorgeschichte des Gesetzespakets ist eine äußerst langwierige und verwinkelte: Bereits im Jahre 1997 wurde in der Bundesverfassung ein „Diskriminierungsverbot“ verankert, dass sich ausdrücklich dazu bekennt, „die Gleichbehandlung von Behinderten in allen Lebensbereichen zu gewährleisten“. Auf der Grundlage der EU-Richtlinie 2000/78/EG, die den allgemeinen europäischen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf festlegt, sah sich die Bundesregierung gefordert, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Nach zähen Vorverhandlungen – ein Antrag zur „Erarbeitung eines Behinderten-Gleichstellungsgesetzes“ wurde im Februar 2003 von allen Parteien eingebracht – kam es durch zahlreiche Überarbeitungen und die Verschiebung von Begutachtungsterminen immer wieder zu zeitlichen Verzögerungen. Seine Absegnung im Nationalrat erfolgte schließlich Anfang Juli 2005, auch wenn trotz der Überarbeitungen die grundlegende Kritik an manchen Punkten nicht endgültig ausgeräumt werden konnte: Zuletzt etwa forderte anlässlich des weltweiten Tages behinderter Menschen am 3. Dezember 2005 die Behindertensprecherin der Grünen, Theresia Haidlmayr, eine schnellstmögliche Novellierung mangelhafter Passagen des mit Jahresbeginn in Kraft tretenden Behindertengleichstellungsgesetzes.

Fachexpertin Mag. Elke Niederl und Bundessozialamt-Geschäftsstellenleiterin Dr. Margareta Steiner: „Die Schlichtungsstelle ist dank umfassender Schulungen für ihre Aufgabe bestens gerüstet und wird daher viele Beschwerden auf dem Weg gütlicher Einigung regeln können.“

Gleichstellung in allen Lebensbereichen angestrebt
Dennoch ist es eine unbestrittene Tatsache, dass mit dem Gesetzespaket zahlreiche Änderungen im Bereich des Zivil- und Arbeitsrechts wirksam werden, die spürbare Verbesserungen für die Betroffenen mit sich bringen werden. Das zentrale Anliegen von BGStG bzw. BEinstG ist es dabei, alle Formen von Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu beseitigen bzw. zu verhindern, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu gewährleisten und darüber hinaus eine weitgehend selbst bestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

DI(FH) Oskar Kalamidas > „Die vorgeschriebenen Investitionssummen sind viel zu niedrig angesetzt, um etwa eine Rampe errichten zu können.“

Aus diesem Grund lohnt es sich in jedem Fall einen Blick darauf zu werfen, welche Möglichkeiten Behinderten bzw. ihren Angehörigen ab 1. Jänner 2006 zur Verfügung stehen, um ihre Rechte und Rechtsschutzeinrichtungen wirkungsvoll durchsetzen zu können: Der Geltungsbereich des Gesetzes umfasst neben dem staatlichen Bereich auch alle privaten Rechtsgeschäfte bzw. Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Demnach sind alle Formen unmittelbarer Diskriminierung (d.h. wenn eine behinderte Person eine weniger günstige Behandlung erfährt) ebenso wie die mittelbare Diskriminierung durch vorgeblich neutrale Vorschriften oder Kriterien Lebensbereiche unzulässig. Als konkretes Fallbeispiel führt Dr. Margareta Steiner, die Geschäftsstellenleiterin des Bundessozialamts (BSA), eine Situation an, die bei der Flughafenkontrolle eintreten kann: „Die Überprüfung eines elektrischen Rollstuhls aus Sicherheitsgründen ist grundsätzlich zulässig, aber eine gesonderte Befragung aller Behinderten wäre eine unzumutbare Ungleichbehandlung und letztlich auch eine entwürdigende Herabsetzung von Menschen.“
Zusätzlich ist im BGStG der Tatbestand der Belästigung definiert, der durch ein die Würde der behinderten Person verletzendes Verhalten bzw. ein feindseliges oder demütigendes Umfeld gegeben sein kann.

Der steirische Behindertenanwalt Mag. Siegfried Suppan sieht trotz positiver Ansätze die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten in zu geringem Maße berücksichtigt.

Finanzielle Sanktionen bei Diskriminierung
Die Rechtsfolgen für diskriminierende Umstände werden im Gesetzespaket für alle Lebensbereiche festgehalten, denn bei Diskriminierung aufgrund einer Behinderung steht den Betroffenen in jedem Falle ein Schadenersatzanspruch zu: Bei Benachteiligungen durch die (Bundes-)Verwaltung bzw. beim Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen besteht ein Anspruch auf Ersatz sowohl des entstandenen materiellen wie auch des immateriellen Schadens. Ebenso kann die betroffene Person im Fall einer Belästigung gegenüber dem Belästiger/der Belästigerin, neben dem Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Vermögensschadens, eine finanzielle Entschädigung für die erlittenen persönlichen Beeinträchtigungen fordern; letzteres zumindest im Ausmaß von 400 Euro. Ist die Belästigung bei Vollziehung der Gesetze erfolgt, besteht der Anspruch auch gegen den Rechtsträger (z.B. Bund). Die Definition der Behinderung ist dabei relativ weit gefasst: darunter werden alle Funktionsbeeinträchtigungen einer Person gezählt, die länger als sechs Monate anhalten und dazu geeignet sind die Teilhabe an der Gesellschaft zu erschweren.

In allen Bereichen der Arbeitswelt steht bei Benachteiligungen ebenfalls primär ein finanzieller Schadenersatz zu; je nach Diskriminierungstatbestand entstehen daneben u.U. weitere Ansprüche, wie auf Gewährung von Sozialleistungen seitens des Dienstgebers, auf Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen sowie auf die Einbeziehung in Berufsberatungs-, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen etc.

Schlichtungsstelle im Bundessozialamt
Grundsätzlich können alle Ansprüche aufgrund von Diskriminierungen nach den beiden Gesetzen durch Klage bei Gericht geltend gemacht werden. Allerdings ist es vorgesehen, dass zuvor in jedem Fall zu versucht wird, eine gütliche Einigung im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens zu erzielen. Dafür wurden spezielle Schlichtungsstellen bei den Landesstellen des Bundessozialamtes eingerichtet, die mit Beginn des Jahres 2006 ihre Tätigkeit aufnehmen werden.

In der Landesstelle Steiermark wird dies zunächst in einer einjährigen Projektphase umgesetzt: Drei Juristen werden sich ab diesem Zeitpunkt aller einlaufenden Diskriminierungsbeschwerden annehmen. Zu ihrer Unterstützung wird ab 27.12.2005 auch eine eigene kostenlose Telefon-Hotline (0800/ 311 899) in Betrieb gehen, um die schnelle Erfassung von Anfragen zu gewährleisten. „Dabei soll bereits im Vorfeld geklärt werden, ob eine Beschwerde gerechtfertigt ist, oder ob es sich um ein schlichtes Missverständnis gehandelt hat“, betont Margareta Steiner, „daher ist es für uns wesentlich, dass wir selbst durch umfassende Schulungen bestens auf die Betreuung unserer Kunden vorbereitet sind.“

Mediation zur Unterstützung
Als Ansprechperson der Schlichtungsstelle fungiert die Fachexpertin Mag. Elke Niederl, die sich um die unparteiische Beratung der Hilfesuchenden kümmern wird. Niederl erklärt zum konkreten Ablauf des Verfahrens: „Auf Wunsch der streitenden Parteien kann auf die Unterstützung externer Mediatoren zurückgegriffen werden, die sich um eine gütliche Einigung zwischen den Parteien bemühen. Die Kosten dafür werden von Seiten des Staates getragen.“

Erst wenn in diesem Schlichtungs- bzw. Mediationsverfahren binnen drei Monaten keine zufrieden stellende Einigung zustande gekommen ist oder das Bundessozialamt vor Ablauf der Frist eine Bestätigung ausstellt, dass keine Einigung möglich war, kann von den Betroffenen geklagt werden. Daneben besteht die Möglichkeit einer Verbandsklage, wenn die Interessen vieler Menschen betroffen sind, erklärt BSA-Geschäftsstellenleiterin Steiner: „Erforderlich für die Genehmigung einer Verbandsklage ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit im Bundesbehindertenbeirat.“ Diesem wird ab kommendem Jahr neben den Vertretern von Behindertenverbänden auch ein noch zu bestellender Bundesbehindertenanwalt angehören, der für alle Anfragen und Beschwerden auf Bundesebene zur Verfügung stehen soll – eine anspruchsvolle Aufgabe, die von einer Person alleine wohl nur schwer ausgefüllt werden kann.

Barrieren werden nur langfristig beseitigt
Ein wesentlicher Part des neuen Gesetzeswerkes betrifft den Abbau baulicher Barrieren: Aber nur für neu errichtete oder generalsanierte öffentliche Gebäude ist die sofortige Umsetzung einer barrierefreien Bauweise ab dem kommenden Jahr vorgeschrieben. Für ältere Baubestände und kleinere Umbauten sind ebenso wie für Verkehrsmittel lange Übergangsbestimmungen vorgesehen, die eine verpflichtende Anpassung bis zu zehn Jahre in die Zukunft verschieben. Auch die bislang geltenden Regelungen wurden oft nur unzureichend umgesetzt. „So ist im Steiermärkischen Baugesetz“, erklärt DI (FH) Oskar Kalamidas, Referent für barrierefreies Bauen der Stadt Graz, „schon seit 1996 die barrierefreie Ausgestaltung von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden vorgeschrieben, eine Unsetzung aber oft nur unzulänglich erfolgt.“

LH-Stv. Dr. Kurt Flecker > „Das Gesetzespaket beinhaltet nur den Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung ohne konkrete Durchsetzbarkeit.“

Der Baubereich fällt in den Kompetenzbereich der Bundesländer und das neue Gesetz kann daher ohnehin nicht direkt im Bereich barrierefreies Bauen wirken. Es muss dazu erst eine so genannte 15a-Vereinbarung mit den Bundesländern geschlossen werden.

Für alle halböffentlichen Gebäude wie Kinos oder Geschäfte bedeuten die Übergangsfristen, dass von Seiten der Betreiber frühestens ab Jänner 2007 gehandelt werden muss – und das nur dann, wenn es finanziell zumutbar ist, erläutert Kalamidas: „Bis 2010 gilt dann eine maximale Investition von 1000 Euro als verpflichtend, was natürlich nicht einmal den Bruchteil einer Rollstuhlrampe abdecken würde.“ Trotzdem zeigt er sich insofern zufrieden mit dem BGStG, „weil dadurch Standards geschaffen werden, denen sich Unternehmen nicht mehr entziehen können, ohne sich außerhalb der Normen zu stellen.“ Als nachteilig sieht er jedoch das unzweifelhafte Faktum, dass sich die meisten Betroffenen den Klageweg nicht leisten werden können, da sie in der Regel nur über ein geringes Einkommen verfügen.

Konkrete Durchsetzbarkeit fraglich
Noch etwas schärfer formuliert Soziallandesrat Dr. Kurt Flecker seine Kritik am Gleichstellungsgesetz und erkennt gravierende Mängel in der Endfassung, die dringend behoben werden müssen: „Das im Sommer beschlossene Behindertengleichstellungsgesetz war die verspätete Reaktion auf eine entsprechende EU-Richtlinie. Leider ist es in seiner faktischen Beschlusslage inakzeptabel. Es beinhaltet den Rechtsanspruch von Menschen mit Behinderung auf Gleichbehandlung ohne konkrete Durchsetzbarkeit und ist von Anfang an nur undichtes Flickwerk. Alle Mängel wurden im Vorfeld von den Behindertenorganisationen aufgezeigt, diese Warnungen aber von der Bundesregierung in den Wind geschlagen. Wie schon so oft in der Ära Schüssel hat der Dilettantismus Regie geführt. Das ist sehr bedauerlich, der Schweigekanzler hinterlässt der kommenden Generation vor allem viel Reparaturbedarf.“

Selbstbestimmung und Teilhabe
Eine ambivalente Beurteilung des Gesetzespakets erfolgt von Mag. Siegfried Suppan, seit einem knappen Jahr Behindertenanwalt des Landes Steiermark: „Im Vordergrund steht der Gedanke der sozialen Teilhabe, nicht mehr der Gedanke, dass wir den Menschen das geben, was wir glauben, dass sie brauchen.“ Das Schlichtungsverfahren mit dem Angebot der Mediation hält Suppan grundsätzlich für ein vernünftiges Prozedere, aber „das Problem dabei ist, dass eine rechtliche Verbindlichkeit der beschlossenen Maßnahmen nicht besteht. Die Beklagten können eine Umsetzung endlos lang verschleppen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.“

Auf der anderen Seite wird – so die Auffassung Suppans – durch das Gesetzespaket sicher ein Bewusstseinswandel in der Öffentlichkeit eingeleitet bzw. beschleunigt. Es stellt ein – wenn auch über Strecken halbherziges – Bekenntnis der Politik dazu dar, dass öffentliche Angebote und Dienstleistungen allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollen. Es wird eine Aufwertung des Selbstbewusstseins bei dieser Bevölkerungsgruppe bewirken können, „aber das Schwergewicht liegt auf Menschen mit körperlichen Behinderungen und Sinnesbeeinträchtigungen. Die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten sind leider nur rudimentär berücksichtigt.“ Trotzdem ist für den steirischen Behindertenanwalt das Gesetz „nicht der große Wurf“. Zu lange Übergangsfristen, zu wenige und zu unkonkrete Sanktionen stellen die gravierenden Schwachstellen dar, erklärt Suppan: „Hier wurden gewiss die EU-Standards erfüllt, aber die Gesetze sind nicht gerade visionär und weisen nicht den Weg in die Zukunft. Damit werden wir auf diesem Gebiet in Europa sicher nicht die Vorreiterrolle einnehmen.“

Josef Schiffer


Infos: www.gleichstellung.at/rechte/bgstg.php | www.bizeps.or.at

 

 

„Check auf Barrierefreiheit“ – am Beispiel Kunsthaus

 

   

Ob List-Halle, Casineum oder Kunsthaus: Die MitarbeiterInnen des Grazer Vereins atempo checken die renommiertesten Einrichtungen in Graz auf Barrierefreiheit. Beim Kunsthaus-Check war KORSO-Mitarbeiterin Manuela Palmar dabei.

Der Weg zum Event-Check selbst war wohl das Beschwerlichste an diesem Tag. Gehsteigrampen für Rollstuhlfahrer fehlen immer dann, wenn sie gerade am dringendsten gebraucht werden. Wohingegen das Kunsthaus selbst, abgesehen von ein paar Kleinigkeiten, geradezu ein Musterbeispiel an Barrierefreiheit ist.

Barrierefrei heißt nicht nur rollstuhlgerecht. Barrierefreiheit fängt bei Kleinigkeiten an und hört nicht bei Rollstuhlrampen auf. „Das Wichtigste bei diesem Projekt ist die Sensibilisierung der Menschen“, erklärt Klaudia Spendier, Mitarbeiterin bei atempo. „Viele Dinge sind leicht behindertengerecht umzusetzen, aber die Veranstalter denken einfach nicht daran“, ist Spendier überzeugt. atempo hat das Know-how Veranstaltern wichtige Tipps für ihre Events mitzugeben. Die Berater sind selbst Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, die am besten über spezielle Bedürfnisse Bescheid wissen.

Haben Sie eine Laktoseallergie? Dann wäre Sojamilch eine perfekte Alternative, um trotzdem zu einem Milchkaffee zu kommen. Und wenn Sie DiabetikerIn sind, hätten Sie doch sicherlich gern einen Kellner, der die Zusammensetzungen der Menüs auf der Speisekarte erklären kann und Ihnen gegebenenfalls statt Zucker Süßstoff serviert, oder? Das alles fällt in den Bereich Barrierefreiheit.

Was passiert, wenn es im Kunsthaus brennt?
Aufzüge dürfen nicht verwendet werden, der „Travellator“ (eine Art Förderband, der ins Space 02 führt) wird im Falle eines Feuers geschlossen, um einem Kamineffekt vorzubeugen, und im Treppenhaus gibt es natürlich nur eine Stiege. „Mein Rollstuhl wiegt 180 Kilo“, erläutert Roman Schlauer, der gerade eine Ausbildung zum Wohnberater bei atempo macht. „Wie werde ich gerettet?“ Da gäbe es mehrere Möglichkeiten, klärt Eva Ofner vom Kunsthaus Graz auf: „Entweder Sie flüchten auf die Dachterrasse und werden dort von der Feuerwehr gerettet, oder einer unserer Angestellten trägt sie über das Treppenhaus hinunter, der Rollstuhl müsste dann natürlich zurückgelassen werden.“

Behindertengerechtes Konzept
Nach einer ausgedehnten Führung durch die Ausstellungsräumlichkeiten im Kunsthaus ist klar, bei der Konzeption des Gebäudes wurde an alles gedacht. Es gibt keine störenden Kabel am Boden, keine Treppen und keine engen Gänge. Der Lift könnte etwas breiter sein und die Türen könnten für eine längere Zeitspanne offen bleiben, aber die Druckknöpfe sind in der richtigen Höhe und auch die Beschriftung ist groß und gut leserlich. Der Behinderteneingang ist durch ein Leitsystem für Blinde gekennzeichnet und auch an unterfahrbare Tische wurde gedacht. „Wir sind auch gerade dabei einen Rollstuhl anzuschaffen, den man sich dann ausborgen kann“, verweist Ofner auf das behindertengerechte Konzept des Kunsthauses, „in der Zwischenzeit kann man sich Klappsessel ausborgen und mitnehmen“, falls man sich zwischendurch ausruhen möchte.

Event-CheckerInnen Roman Schlauer (im Rollstuhl) und Waltraud Agyby (mit Assistent Eduard Böckelberger): „Im Großen und Ganzen ist das Kunsthaus bestens auf BesucherInnen mit Behinderungen eingestellt.“

Die höchste Barriere ist der Katalog
Die vielen Fragen des 42 Seiten umfassenden Evaluationskatalogs von atempo werden relativ schnell abgearbeitet. Bei Kleinigkeiten herrscht Unsicherheit, Eva Ofner nimmt sich die Zeit, um auf spezielle Fragen ausführlich zu antworten. „Gibt es einen Behindertenparkplatz beim Haus?“, will Waltraud Agyby, Evaluatorin bei atempo, wissen. Eine der wenigen Antworten, die Eva Ofner nicht bejahen, aber mit vielen alternativen Angeboten wettmachen kann: „Wir haben überhaupt keinen Parkplatz. Es gibt aber die Möglichkeit auf der Rampe vor dem Kunsthaus stehen zu bleiben und ohne Stress ein- und auszusteigen. Außerdem gibt es die Tiefgarage, die zwar nicht dem Kunsthaus gehört, aber trotzdem benutzt werden kann, und Behindertentaxis können sowieso jederzeit gratis gerufen werden.“

Ein Manko findet Waltraud Agyby dann aber doch. „Sind auf den Einladungen und Foldern vom Kunsthaus Fremdwörter und Abkürzungen erklärt?“ Ein kurzer Blick auf den aktuellen Folder „M Stadt“ genügt um zu wissen, dass Menschen mit Lese- und Lernschwierigkeiten mit der Ausstellungsbeschreibung nicht zufrieden wären, denn auch Personen ohne Behinderung hätten ohne Duden Schwierigkeiten, sich durch den fremdwortlastigen Kunsthistorikerjargon zu arbeiten.

Das Resumee der „CheckerInnen“: Im Großen und Ganzen ist das Kunsthaus bestens auf Besucher mit Behinderungen eingestellt. Menschen mit Hörbehinderungen wird sogar ein Gebärdendolmetscher zur Verfügung gestellt. Wenn sich jetzt auch noch die Stadt Graz bei der Gestaltung des öffentlichen Raums an die Empfehlungen von atempo hält, ist auch der Weg ins Kunsthaus kein Hindernisparcours mehr …

mp

 

 

Franz Wolfmayr: „Anti-Diskriminierung, Empowerment, Beratung“
< Franz Wolfmayr, Präsident des Dachverbandes der steirischen Behindertenhilfe

   

Für Franz Wolfmayr, Präsident des Dachverbands der steirischen Behindertenhilfe, ist die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung „eines der wichtigsten Ziele, das wir verfolgen.“ Der Dachverband beziehe sich dabei im Besonderen auch auf die Anti-Diskriminierungsziele der Europäischen Union: „Da gibt es viele nützliche Maßnahmenpakete und Projektschienen, die wir in der Steiermark noch verstärkt nutzen sollten.“ Dazu müssten Probleme wie die Notwendigkeit der Kofinanzierung durch nationale oder regionale Stellen und vor allem auch die administrativen Schwierigkeiten bei der Anstellung zusätzlichen Personals überwunden werden.

Empowerment – etwa durch die Stärkung der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung – ist ein zweites zentrales Ziel des Dachverbandes. „Wir haben zum Beispiel gerade mit dem verein a tempo den Modellversuch einer Ausbildung zum „Werkstattrat“ gestartet.“ Werkstatträte sollen ähnlich wie Betriebsräte die Interessen von Menschen mit Behinderung an ihren Arbeitsstellen vertreten. In den Bereichen Arbeit und Beschäftigung seien die höchsten Barrieren auf dem Weg zu echter Gleichstellung zu überwinden – „das betrifft zum Beispiel die gleichberechtigte Teilhabe am Sozialversicherungssystem.“

Und schließlich seien entsprechende Beratungseinrichtungen eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Bemühungen um die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung – „für jede unterscheidbare Form von Behinderung muss es in der Steiermark zumindest eine voll ausgestattete Beratungseinrichtung geben“, verlangt Wolfmayr.

 

 

„Veranstalter sind bereit in Barrierefreiheit zu investieren“
< Barrierefreiheit ist mehr als freier Zugang für RollstuhlfahrerInnen

 

   

Manuela Palmar sprach mit Barbara Wedenig und Klaudia Spendier vom Verein atempo über „Event-Checks“ und die Sensibilisierung für Barrierefreiheit.

Könnten Sie kurz erklären worum es bei diesen „Event-Checks“ genau geht?

atempo: SUD ist ein Bereich von atempo und bedeutet „Selbst und direkt“. In diesem Bereich haben wir ein Service ins Leben gerufen, das die Aufgabe hat Tagungen, Kongresse, Messen und Ähnliches wirklich barrierefrei zu machen. Expertinnen und Experten überprüfen den Veranstaltungsort auf Barrierefreiheit. Der Check umfasst nicht nur Räume, sondern alles, was zu einer erfolgreichen Veranstaltung dazugehört: Das Gebäude sowie der Zugang zum Gebäude, die Zugänglichkeit von WCs und Kantinen. Es werden Einladungen, Seminarunterlagen und Power-Point-Präsentationen auf ihre Verständlichkeit hin überprüft und SUD sorgt außerdem dafür, dass die Veranstaltungsteilnehmerinnen und Veranstaltungsteilnehmer alle wichtigen Räumlichkeiten auch erreichen können.

Wer führt diese Überprüfungen durch?

MitarbeiterInnen von atempo. EvaluatorInnen, die Erfahrung auf dem Gebiet des Beschreibens von betreuten Wohneinrichtungen haben.

Welche Grazer Veranstaltungen bzw. Einrichtungen wurden von atempo bereits gecheckt?

Das Projekt befand sich bis vor kurzem noch in der Entwicklungsphase. Zum Kriterien sammeln wurde z.B. die Gründermesse, die Helmut-List-Halle, das Casineum und zuletzt auch das Kunsthaus gecheckt.

Wo liegen die größten Defizite bei den VeranstalterInnen?

Barrierefreiheit wird zunehmend als Erleichterung für alle KundInnen erkannt. VeranstalterInnen sind bemüht, Defizite im Vorfeld gar nicht erst entstehen zu lassen. Typische Stolpersteine sind zum Beispiel nicht befahrbare Podeste für Vortragende, Mikrofone, die außer Reichweite sind, mit Putzwägen vollgeräumte Behinderten-WCs, Beschilderungen in zu kleiner Schrift und an nicht sichtbaren Stellen sowie Print-Materialien, die nicht verständlich aufbereitet sind.

Können Sie VeranstalterInnen einige Tipps geben woran man sich halten sollte, wenn sie einen Event barrierefrei gestalten möchten?

Wichtig wäre, dass VeranstalterInnen im Vorfeld Informationen und Beratung über die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe einholen.

Kann man aus Erfahrung sage,n ob Veranstalter in punkto Barrierefreiheit 2005 sensibilisierter sind als noch vor ein paar Jahren?

Ja, Veranstalter sind auf jeden Fall sensibilisierter und sie sind auch bereit, in Barrierefreiheit zu investieren und sich Hilfe zu holen.

Kann man Sie für Veranstaltungen buchen?

Ja, natürlich. Wenn Interesse besteht sollte man sich einfach an uns wenden.

Was bieten Sie außerdem für Dienstleistungen im Bereich Barrierefreiheit an?

Wir bieten Evaluationen von betreuten Wohneinrichtungen an. Wir machen Print-Checks, das sind Kontrollen von Texten auf ihre Verständlichkeit, Web-Checks, Überprüfungen von Internetseiten bezüglich Inhalt, Navigation und Design. Zusätzlich bieten wir Sensibilisierungsmaßnahmen und -schulungen an, um nur einige repräsentative Beispiele zu nennen.

Nähere Informationen findet man außerdem auf unserer Homepage www.atempo.at

 

 

Sinn durch Arbeit für Menschen mit Behinderung
von Barbara Pitner

< Mag. Barbara Pitner ist Leiterin der Abteilung Soziales des Landes Steiermark

   

 

Die Intention des neuen steirischen Behindertengesetzes ist es, das Recht für Menschen mit Behinderung „auf ein Leben wie andere auch“ zu verankern. Dazu gehört die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, dazu gehören Würde und Selbstbestimmung ebenso wie möglichst auch eine eigene Arbeit und ein eigener Verdienst. Die Situation von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt ist nach wie vor mehr als ernüchternd. Um nichts leichter wird die Lage dadurch, dass auch die allgemeine Arbeitslosigkeit ungeahnte Höhen erreicht hat: Wie den Medien Anfang Dezember zu entnehmen war, haben wir im Winter 2005/06 den Höchststand in der Zahl der Arbeitslosen seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht.

Unter den Menschen mit Behinderung ist das Maß der Arbeitslosigkeit leider im Vergleich um ein Vielfaches höher. Ein zentrales Ziel moderner Sozialpolitik muss es sein, den Arbeitsmarkt für jene Menschen zu öffnen, die aufgrund ihrer eigenen persönlichen Befindlichkeit im steigenden Druck der Leistungsgesellschaft nicht konkurrieren können. Im steirischen Behindertengesetz wurde durch Landeshauptmannstellvertreter Dr. Kurt Flecker diese Situation besonders berücksichtigt und das Leistungsangebot im Arbeitsbereich stark ausgeweitet. So gibt es vermehrt Angebote wie Beschäftigung in Tageswerkstätten produktiv/kreativ sowie in Tageseinrichtungen mit Tagesstruktur, die Möglichkeit zur beruflichen Eingliederung durch Arbeitstraining und in Werkstätten, daneben die gestützte Arbeit und die Arbeitsassistenz. Das gemeinsame Ziel all dieser Maßnahmen ist es jeden Menschen mit Behinderungen, der dies wünscht, seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren.

In der Steiermark gibt es zurzeit 84 genehmigte Einrichtungen, die eine Beschäftigung in Tageswerkstätten produktiv/kreativ anbieten. Durch dieses umfassende Angebot ist die Schaffung sinnvoller Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebote deutlich verbessert worden; die psychische und physische Entwicklung des Individuums kann durch entsprechende Bedingungen in eine positive Richtung gelenkt werden.
45 Einrichtungen bieten eine Beschäftigung in Tageseinrichtungen mit Tagesstruktur. Die Tagesstätte muss Klientinnen/Klienten mit hohem bis höchstem Grad der Beeinträchtigung getrennt von Wohnen und Freizeit sinnvolle Formen von Aktivität und Beschäftigung bieten und die Teilnahme an einem normalisierten und selbst bestimmten Tagesablauf gewährleisten.

Die inhaltliche Ausgestaltung der Betreuung basiert auf einem ganzheitlich, integrativen Ansatz. Die begleiteten Klientinnen/Klienten müssen dazu in ihrer Gesamtheit erfasst werden, denn die Förderung sollte ausschließlich auf die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse der Personen abgestimmt stattzufinden. Die Entwicklungspotenziale auf physischer, psychischer und sozialer Ebene werden dadurch erst sichtbar. Mit angemessener Unterstützung können sich die begleiteten KlientInnen so neue Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen. Andererseits gilt es bestehende Kompetenzen und Ressourcen so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.

Es gibt 50 Einrichtungen mit dem Angebot berufliche Eingliederung im Arbeitstraining: KlientInnen der Zielgruppe werden dabei unterstützt, eine fähigkeits- und interessenbezogene Berufswahlentscheidung zu treffen. Durch eine praxisorientierte Berufsorientierung kann so eine zielgenaue Entscheidung für den weiteren Lebensweg getroffen werden. Die erforderlichen Schlüsselqualifikationen müssen dazu erworben werden, um die berufliche Integration von SchulabgängerInnen aus Integrationsklassen und allgemeinen Sonderschulen in Betriebe der freien Wirtschaft zu ermöglichen. Es wird angestrebt, dass Jugendliche und Erwachsene, die bisher in Werkstätten der Behindertenhilfe beschäftigt waren, Arbeits- oder Ausbildungspositionen in Betrieben der freien Wirtschaft erhalten.

Weiters gibt es 48 Einrichtungen mit dem Angebot berufliche Eingliederung in Werkstätten. Allgemeine Leistungsziele sind auch hier die Entwicklung beruflicher Perspektiven; iIm Vordergrund stehen dabei die Erlangung, Stärkung und Erhaltung von Schlüsselkompetenzen, die eine für den Einstieg ins Berufsleben unabdingbare Voraussetzung sind. Die Entwicklung und Überprüfung von Fähigkeiten und Vorstellungen kann dabei in der Alltagspraxis bzw. bei externen Praktika laufend erfolgen – den Abschluss bildet die erfolgreiche Vermittlung eines Arbeitsplatzes.

Als zusätzliches Angebot gibt es 40 genehmigte Einrichtungen im Arbeitsbereich für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Auch der steirische Landesdienst versucht Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess bevorzugt einzugliedern – inzwischen beträgt die Anzahl der genehmigten gestützten Arbeitsplätze im Landesdienst circa 400.

Mit dem neuen Steirischen Behindertengesetz wird der Versuch unternommen, auf die eigentlichen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung umfassend einzugehen. Allerdings bleibt es eine wichtige Aufgabe für die Zukunft, die potenziellen Arbeitgeber ebenso wie die Gesellschaft für diesen Bereich noch stärker zu sensibilisieren.

 

Hand in Hand … Keks um Keks

 

   

Die KünstlerInnen der Jugend am Werk Malwerkstatt Graz taten sich in der Adventszeit mit Edith Hornig, Doris Huber, Claudia Kartnig, Waltraud Pertzl, Dr. Michael Braunsteiner sowie den Admonter Benediktinermönchen Pater Egon Homann und Pater Winfried Schwab zusammen, um Weihnachtskekse für das Geriatrische Gesundheitszentrum der Stadt Graz zu backen. Mag. Alfred Hausegger, Jugend-am-Werk-Geschäftsführer, konnte sich über die rege Beteiligung an dem wohltätigen Event freuen.

Barbara Seirer, Künstlerin der JAW-Malwerkstatt Graz, Claudia Kartnig und Andreas Schmidt, Künstler der JAW-Malwerkstatt Graz, beim gemeinsamen Keksebacken (von li.)

Die sieben im Ausdruck sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten Adi Brunner, Gerhard Hammerl, Manuela Hillebrand, Jörg Kozak, Walter Novak, Andreas Schmidt und Barbara Seirer bilden die Künstlergruppe der Malwerkstatt Graz. „Unterschiedlichste Techniken treffen auf vielfältige Formensprachen, Farbenreichtum steht neben Monochrom, der Strich kreuzt die Fläche und das Symbol vermengt sich mit dem Konkreten.“ Gerade diese Facettenvielfalt hat die KünstlerInnen zu einer gefragten Gruppe werden lassen, die seit 1994 laufend in Galerien an verschiedensten Orten ausstellt und mittlerweile auch internationale Bedeutung erlangt hat.


 

 

Gleichstellung: Mehrwert für alle

 

   

Walburga Fröhlich und Mag. Klaus Candussi – das Geschäftsführungs-Duo des Grazer Vereins atempo – sind ExpertInnen in Sachen Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Für sie schreibt sich das neue Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz in eine europäische, ja weltweite Tendenz zum Abbau von Diskriminierung ein – und bleibt doch hinter den Vorbildern zurück.

atempo-GeschäftsführerInnen Klaus Candussi und Walburga Fröhlich: Barrierefreiheit nützt allen – nicht nur Menschen mit Behinderungen

„Es gibt keinen Mangel an EU-Rechtsmaterie, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen verlangt“, sagt Candussi. „Die nationalen Regelungen anderer Länder setzen dies allerdings konsequenter um. In England muss schon heute jeder Pub-Besitzer sein Lokal umbauen, wenn es kein rollstuhlgerechtes WC hat – in Österreich haben Wirte noch bis 2009 Zeit dafür.“ Im Allgemeinen gebe es lange Übergangsfristen für die Durchführung behindertengerechter Maßnahmen – bis 2015; das sei allerdings weniger problematisch als die „weichen“ Durchführungsbestimmungen selbst. Fröhlich zitiert als Beispiel die US-amerikanische Rechtslage: „Laut dem ,Americans-with-disabilities-Act“ ist eine Sektion des Justizministeriums dazu abgestellt, alle öffentlichen Webseiten auf ihre Barrierefreiheit hin zu überprüfen“ – also darauf hin, ob Menschen mit Sehbehinderung oder Lernschwierigkeiten die darauf enthaltenen Informationen wahrnehmen und verarbeiten können – „wenn das nicht der Fall ist, müssen die Seiten entsprechend geändert werden.“

Ein Beitrag zur Sensibilisierung
Im Gegensatz zur Vorgangsweise beim steirischen Behindertengesetz, die Candussi und Fröhlich für vorbildhaft erachten (siehe dazu auch den Beitrag „Ein Gesetz, das alle verstehen“ in dieser Ausgabe) sei beim Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz bis jetzt nicht darauf geachtet worden, ob damit die Zielgruppe auch wirklich erreicht würde: „Landesrat Flecker und der steirische Landtag haben mit der Umsetzung einer „Easy-to-read“-Fassung des Gesetzes gezeigt, dass sie die Betroffenen ernst nehmen – prinzipiell sollte jede Information, die für Menschen mit Lernschwierigkeiten relevant ist, in einer „Leichter-lesen“-Version herausgebracht werden.“

Trotz dieser Kritik biete das Gesetz jedenfalls eine wichtige Möglichkeit, vor allem Behörden zur Auseinandersetzung mit den Ansprüchen von Menschen mit Behinderung zu zwingen, sind sich Fröhlich und Candussi einig. Auch die vorgesehene Schlichtungsstelle könne einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung leisten – allerdings dürfe man sich nicht zu viel von ihr erwarten, was die Durchsetzung von Ansprüchen betreffe. Candussi: „Eine positive Seite des neuen Gesetzes liegt zweifellos darin, dass es den Betroffenen ein neues Argument für die Durchsetzung von Gleichstellung in die Hand gibt; als Instrument für die Durchsetzung selbst ist es allerdings wenig geeignet.“

Mehrwert für alle
Dennoch bleiben Fröhlich und Candussi optimistisch: „Wenn man die Bilanz der letzten Jahre zieht, so hat sich in Österreich doch atmosphärisch einiges zum Besseren verändert, was die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung betrifft“, resümiert Fröhlich. „Ich erinnere mich noch daran, dass wir vor drei Jahren bei einer Zugfahrt nach Wien mit mehreren RollstuhlfahrerInnen damit konfrontiert wurden, dass zwei von ihnen im unbeheizten Gepäckwagen untergebracht wurden. Das wäre heute nicht mehr denkbar.“ Um möglichst große Breitenwirkung zu erzielen, orientiert sich die Intervention von atempo nicht nur an den direkt Betroffenen selbst, sondern auch am „Mehrwert“ von Gleichstellungsmaßnahmen für weitaus größere Bevölkerungsgruppen. Fröhlich nennt ein Beispiel: „Bei der Gründermesse haben wir einen so genannten Event-Check mit ExpertInnen aus der Zielgruppe vorgenommen – da stellte sich heraus, dass die Zugänge zu den Messeständen so schmal waren, dass nicht nur RohlstuhlfahrerInnen der Zugang verwehrt war, sondern auch die AusstellerInnen selbst ihr Material nur unter größten Schwierigkeiten an- und abtransportieren hätten können.“ Ähnliches zeige sich auch im Informationsbereich: So kämen 40% aller BesucherInnen von Webshops trotz Kaufabsicht deshalb nicht zum „finalen Klick“, weil Menüführung und Oberfläche zu verwirrend seien. – „Webshops, die Menschen mit Lernschwierigkeiten positiv beurteilt haben, sind auch für alle anderen UserInnen höchst bedienerfreundlich.“

Christian Stenner


Solidarität geht jeden an
von Caritas-Präsident Franz Küberl

   

Jeder von uns ist irgendwie auf die Unterstützung anderer angewiesen. Rund ein Drittel der ÖsterreicherInnen lebt zum Beispiel mit einer körperlichen Beeinträchtigung. Jeder kann plötzlich vor einer Situation im Leben stehen, in der die Fähigkeit zur Integration des Anderen, des Verletzlichen in uns gefragt ist. Wir sind zerbrechlicher, als wir glauben, und vor allem sind wir alle stärker von anderen Menschen abhängig, als wir gerne zugeben. Hans Magnus Enzensberger hat diese Frage einmal so zugespitzt: “Selbst in reichen Gesellschaften kann morgen jeder von uns überflüssig werden. Wohin dann mit ihm?”

Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen berührt die Wurzeln unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses. Natürlich ist es eine der ersten Aufgaben, ihnen Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Individualität zu erschließen. Das Prinzip des Individualismus allerdings, dem zu Folge jeder Mensch möglichst allein und mit sich selbst zurechtkommen möge, hat auf der gesellschaftlichen Ebene seine natürlichen Grenzen. Wenn es zur Maxime erhoben wird, steigt in entsetzlicher Weise gerade dadurch bei vielen Menschen die Angst, auf andere angewiesen zu sein. Dem stelle ich gegenüber, dass es ein Recht gibt, gebrechlich zu sein und die Hilfe und Assistenz anderer in Anspruch zu nehmen.

Leider kann auch ein sehr gut ausgebauter Sozialstaat da mitunter zur Falle werden. Denn die Solidarität wird gerne auf soziale Einrichtungen, Versicherungen oder Behörden abgeschoben – zuständig sind jeweils die anderen. Doch diese notwendige strukturelle Solidarität kann nur dann funktionieren, wenn parallel ebenso von jedem von uns ein entsprechendes Maß an persönlicher Solidarität entwickelt wird.

Mit Meilensteinen wie der Einführung des Pflegegeldes (1993), der (Schilling)-Behindertenmilliarde im Jahr 2001, der Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes 2004 sowie der bundesweit einheitlichen Regelung der modulartigen Ausbildung zu Pflege-, Familien- und AltenhelferInnen, die mit dem Schuljahr 2006/2007 beginnen wird, oder dem neuen steirischen Behindertengesetz (2004), das einen Rechtsanspruch auf Leistungen wie Familienassistenz, Freizeitassistenz oder Wohnassistenz vorsieht, hat sich für Menschen mit Behinderungen ohne Zweifel einiges verbessert.

Doch es gibt noch sehr viel zu tun: so braucht es weiterhin eine bedarfsgerechte Anpassung und Valorisierung des Pflegegeldes, eine offensivere Handhabe der Auskunftspflicht durch die Behörden in Bezug auf Assistenzleistungen, eine Forcierung von Erfolgsmodellen am Arbeitsmarkt wie Arbeitsassistenz und Jobcoaching, eine Sicherstellung der Qualität der Betreuung von Menschen mit Behinderung im Alter, den weiteren Ausbau von Integrationsmodellen in Kindergärten und in den Pflichtschulen oder eine spezielle Mobilitätsförderung von Menschen mit Behinderung im Freizeitbereich. Es gibt noch viel zu tun, ehe der Slogan “Behindert ist, wer behindert wird” vielleicht eines Tages tatsächlich sozialpolitisch zu den Akten gelegt werden kann.

Weitere Informationen:
Caritas Graz | T 0316/8015-0 | M office@caritas-graz.at | www.caritas-graz.at

 


Chance B meets GEA
   

Vor kurzem hat sich die Holzwerkstatt der Chance B in Gleisdorf – schon seit einiger Zeit bekannt sind die Puppenhäuser und Bauernhöfe mit Zirbenholztieren unter dem Markennamen „KLUMP“ – ein neues Geschäftsfeld erschlossen. Man produziert in dem Betrieb der Beschäftigungsassistenz eine Designer-Garderobe in Serie: Das neue Produkt trägt den Namen „Wirbel“, wird aus heimischem Holz und Filz gefertigt und über die Kataloge des Möbelhauses GEA angepriesen.

Die Holzwerkstätte der Chance B liefert Produkte mit anerkannt hohem Qualitätsanspruch

Formvollendetes Design …
Der Grazer Möbeldesigner DI Dieter Paul stieß bei seiner Suche nach einer Werkstätte, die einen Prototyp für einen seiner neuen Entwürfe herstellen könnte, auf den diesjährigen Sieger des Tischlerwettbewerbes im Kreativbereich. Dabei handelt es sich um die Holzwerkstätte der Chance B in Gleisdorf, eine der führenden Einrichtungen für alte, kranke und behinderte Menschen in der Oststeiermark.
Die Behindertenwerkstätte der Chance B/Gleisdorf produziert daher seit kurzem für die europaweit tätige Schuh- und Möbelfirma GEA Garderoben und Schuhablagen des steirischen Designers Dieter Paul. Seine Entwürfe bestechen durch Minimalismus im Materialaufwand und Dynamik in der Formgebung gepaart mit höchster Funktionalität.

In perfekter Ausführung
Der Leiter der Holzwerkstätte, Johann Krenn, brachte von Anfang an eigene Ideen ins Projekt ein, indem er z.B. anregte, bei dem Material für die Garderoben von Fichte zu heimischem Kiefern- und Birkenholz zu wechseln. Schließlich wurde auch GEA-Chef Heini Staudinger von der Nachhaltigkeit dieser Lösung überzeugt: „Die Qualität des Produkts ist hervorragend, da kann man voll dahinter stehen.“
In der Holzwerkstatt der Chance B wird kreative Beschäftigungsassistenz angeboten, denn hier finden Menschen einen Arbeitsplatz, die aufgrund der Schwere ihrer körperlichen oder geistigen Behinderung dem „normalen“ Arbeitsprozess nicht, nicht mehr oder noch nicht gewachsen sind.

– js –

Infos: www.chanceb.at | www.gea.at | www.dipaul.com

 

 

Ein Gesetz, das alle verstehen
   

Die Steiermark hat europaweit das erste Behindertengesetz, das für die Zielgruppe lesbar ist.

Gesetzestexte werden von Juristen im so genannten Juristendeutsch abgefasst; eine eher esoterische Sprachvariante, die – ähnlich wie der Ärztejargon – gleichermaßen der Betonung der Gruppenzugehörigkeit ihrer UserInnen wie deren Abgrenzung nach außen dient. Das wirkt sich schon im Normalfall negativ auf die vom Gesetz Betroffenen – StaatsbürgerInnen wie dich und mich – aus, weil sie entweder Ansprüche, die ihnen das Gesetz gewährt, mangels Verständnis nicht wahrnehmen oder gar, weil sie als nicht Verstehende mit dem Recht in Konflikt geraten – was bekanntlich vor Strafe nicht schützt.

Barbara Wedenig, atempo: „Es ging um mehr als bloß um eine ,Übersetzung in behindertengerechte Sprache‘“; Sozialreferent LH-Stv. Kurt Flecker: „Bessere Benutzerfreundlichkeit von Gesetzen wäre auch für andere Bereiche von Nutzen“; Diether Scheucher, atempo: „Wir haben gesagt, was wir nicht verstehen und was zu ungenau geschrieben ist.“

Noch problematischer wird es dann, wenn das betreffende Gesetz die Ansprüche einer Gruppe beschreibt, deren Wahrnehmungs- oder Verständnismöglichkeit aus verschiedenen Gründen eingeschränkt ist – zum Beispiel wegen einer Behinderung. Aus diesem Grund fassten das Sozialressort und der steirische Landtag den Beschluss, das 2004 in Kraft getretene steiermärkische Behindertengesetz nun in adaptierter Form der Zielgruppe zugänglich zu machen. Landes-Sozialreferent Dr. Kurt Flecker: „Dieser Beschluss drückt auch den Respekt aus, den wir gegenüber jener Gruppe haben sollten, die von dieser Rechtsmaterie betroffen ist.“

Ein Beitrag zum „Empowerment“
Die „Leichter-lesen-Fassung“ des steiermärkischen Behindertengesetzes wurde vom Verein atempo erstellt. Dabei ging es um wesentlich mehr als nur um eine „Übersetzung“ der Materie in eine „behindertengerechte“ Sprache. „Wir haben VertreterInnen aller Behinderungsgruppen eingeladen zu überprüfen, welche Konsequenzen das Gesetz für sie hat“, erläutert Barbara Wedenig von atempo. „Darauf aufbauend wurden Dialoge verfasst, mit deren Hilfe die praktischen Auswirkungen des Gesetzes auf die Betroffenen beschrieben wurden.“ Dargestellt werden auch die Ansprüche der Zielgruppe – und wie man sie geltend macht. Insofern sei die Broschüre auch ein Beitrag zum „Empowerment“, zur Stärkung von Menschen mit Behinderung bei der Durchsetzung ihrer Interessen, sagt atempo-Geschäftsführer Mag. Klaus Candussi. Die dabei auftauchenden Fragen werden in Form von Dialogen abgehandelt. Diether Scheucher hat als Betroffener und Experte an der Formulierung der Dialoge mitgearbeitet und erklärt die Vorgangsweise: „In den Testgruppen arbeiten Menschen mit Lernschwierigkeiten, das sind die Experten. Wir haben gesagt, was wir nicht verstehen oder was zu ungenau geschrieben ist. Die Dialoge sind wichtig: Wenn zwei miteinander sprechen, versteht man besser, worum es geht.“

Flecker hält es für denkbar diese Methode auch auf andere Rechtsmaterien und Zielgruppen auszuweiten – etwa auf Asylverfahren: „Letztendlich geht es um eine höhere Benutzerfreundlichkeit von Gesetzen.“ Und Wedenig ergänzt: „Wenn ein Gesetzestext so abgefasst ist, dass ihn Menschen mit Lernschwierigkeiten oder anderen Behinderungen verstehen, dann versteht ihn auch Otto Normalverbraucher.“

Die Broschüre ist bei der Sozialabteilung des Landes Steiermark erhältlich.

 

Zwei Zentimeter sind schon zu viel

 

   

„Wir gehen gemeinsam – ohne Barriere“: Unter diesem Titel fand in Stadl an der Mur in Beisein von Sozialministerin Ursula Haubner eine Fachtagung statt, die zugleich das Startsignal des Murtals als erster Musterregion Österreichs für Behinderte bildete.

„Viel Gutes im Bereich der Pflege geht von der Steiermark aus. Dass mit dem Pflegehotel Weideröschen in Stadl an der Mur jetzt auch ein Urlaubsangebot für Menschen geschaffen wurde, die zu Hause einen Angehörigen pflegen, zeigt erneut die Vorreiterrolle der Steiermark. Hier beginnt die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes bereits vor dem Jahr 2006.

Rollstuhl-Test auf Barrierefreiheit: Sozialministerin Ursula Haubner mit KräuterGarten-Geschäftsführer Harald Fischl, Leo Pürrer mit Bürgermeister Erich Moser.

Der Begriff Barrierefreiheit darf aber nicht nur baulich gesehen werden, behinderte Menschen muss auch der Zugang zu Berufen, Studien und anderen Dingen erleichtert werden“, zeigte sich Sozialministerin Ursula Haubner von diesem Projekt begeistert. Dass bereits zwei Zentimeter für einen behinderten Menschen eine große Barriere sind, konnte Haubner bei einem Versuch mit dem Rollstuhl selbst feststellen.

Virag Hodor, Hotelleiterin des Weideröschen, zählte zehn Schritte auf, um das Murtal zu einer der behindertenfreundlichsten Regionen Österreichs zu machen und sie setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde Stadl und dem Tourismusverband „Urlaubsregion Murtal“. Dort ist mit Walter Pflügl bereits ein Behinderter tätig, der alle Ausflugsziele und Beherbergungsbetriebe in der Region auf ihre Barrierefreiheit untersucht hat. „Wir werden das Angebot für behinderte Gäste und Urlauber in der nächsten Zeit sicher erweitern. Oft sind nur ganz kleine bauliche Maßnahmen erforderlich, um Betriebe wirklich barrierefrei zu machen“, so Pflügl. Unterstützt wird er bei seiner Arbeit von Leo Pürrer, dem Obmann der Behinderten-Selbsthilfegruppe Hartberg, der die Problematik schildert: „Verreisen ist für Menschen mit Handicap mit großen Schwierigkeiten verbunden. Dazu kommt, dass es zum Begriff Barrierefrei in jedem Bundesland unterschiedliche Auffassungen gibt. Mit Walter Pflügl konnten wir einem behinderten Menschen für zumindest zwei Jahre beim Tourismusverband Murtal einen Arbeitsplatz beschaffen. Unser Ziel ist es aber, dass sich Walter Pflügl und andere Behinderte in ihren Tourismusjobs so unersetzbar machen, dass sie sich nach zwei Jahren nicht wieder um einen neuen Job umsehen müssen.“

Wie groß das Potenzial an behinderten Urlaubsgästen ist, führte Dr. Angelika Laburda von der Internetplattform für barrierefreien Tourismus in Österreich vor. Innerhalb der EU sind elf Prozent der Bevölkerung (50 Millionen Menschen) als „behindert“ eingestuft, in Österreich sind rund 1,5 Mio Menschen in ihrer Mobilität eingeschränkt. „Dazu kommen aber noch 1,3 Mio Begleitpersonen, die Behinderte im Urlaub behilflich sind“, referierte Laburda.

Besonders intensiv mit der Thematik „Barrierefrei“ hat sich die Gemeinde Stadl an der Mur auseinandergesetzt. Gemeinderat Wolfgang Schlick erzählt: „Wir sind gemeinsam mit Leo Pürrer alle Betriebe in Stadl abgegangen und haben festgestellt, dass nur wenig zur völligen Barrierefreiheit fehlt. Es gilt aber auch, eine Barrierefreiheit den Behinderten gegenüber im Kopf zu schaffen – und das nicht nur einmal im Jahr vor Weihnachten, wo sich viele Menschen mit einem Griff in ihre Geldbörse freikaufen. Wir in Stadl wollen Behinderten 365 Tage im Jahr barrierefrei zur Verfügung stehen. Das Pflegehotel Weideröschen setzt dabei vor allem auf Familien, die zu Hause einen Angehörigen pflegen, auf behinderte Urlauber wie Rollstuhlfahrer und Behindertensportler, die hier ein ideales Quartier für Trainingslager, Tagungen und anderes finden.“

 

 

Barrierefreie Internetplattform für Menschen mit Lernschwierigkeiten

 

   

Im Rahmen des EU-Projekts get_connected hat alpha nova gemeinsam mit acht europäischen Partnern eine barrierefreie Internetplattform für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt. Die Plattform www.loomy.net ist unter diesem Link auch im Internet abrufbar.
Loomy.net bietet Informationen und Kommunikation für Menschen mit Lernschwierigkeiten und soll in Kürze in sechs Sprachen verfügbar sein. Im Bereich Information finden sich die folgenden Themengebiete:

• Fortgehen (Lokale+Treffpunkte, Stars+Bands, Theater+Kino)
• Arbeit (Beratung, Training+Praktika, Jobs)
• Gesundheit (Sexualberatung, Drogenberatung, Ärzte, Tipps zum Gesundbleiben)
• Spiele
• Nachrichten (z.B. Sport, Österreich, aus aller Welt)
• Lernen (Anbieter, Kurse)
• Hobbys (Haustiere, Urlaub, Sport, Was gibt’s zu tun?)
• Eventkalender
• Wohnen (Beihilfen, Wohnformen)

Verschiedene Kommunikationsebenen
Im Bereich Kommunikation kann man in einem Chatroom und einer Kontaktbörse nette Leute kennen lernen bzw. Kontakte knüpfen. Das Besondere an loomy.net ist, dass die Plattform in mehreren Einstiegsebenen zugänglich ist, die sich folgendermaßen unterscheiden:

Level 1 „Bildsprache“: Alle Inhalte in diesem Level werden ausschließlich mit Bildern, Symbolen oder Photos dargestellt. Auf die Verwendung von Texten oder Worten wird verzichtet. Level 1 ist v.a. für Menschen gedacht, die nicht Lesen oder Schreiben können und vorrangig Symbole, Photos oder Bilder verstehen können bzw. verwenden.

Level 2 „Bilder und Wörter“: Die Inhalte in diesem Level werden mit Bildern, Symbolen und Photos gemeinsam mit einfachen Worten dargestellt. Level 2 ist v.a. für Menschen gedacht, die einfache Worte verstehen und lesen können, die jedoch stark von Bildern, Symbolen und Photos unterstützt werden.

Level 3 „Einfache Texte“: Die Inhalte in diesem Level werden vorrangig mit einfachen Texten unterstützt durch Bilder, Photos und Symbole dargestellt. Level 3 ist v.a. für Menschen gedacht, die Lesen und Schreiben und Text in einfacher Sprache verstehen können.

Somit haben Menschen mit Lernschwierigkeiten die Möglichkeit, sich einerseits die Art der Darstellung von Inhalten selbst auszusuchen und andererseits im Sinne eines Lernprozesses z.B. von Level 2 zu Level 3 zu entwickeln. Dazu wurde im Projekt get_connected auch ein Handbuch für TrainerInnen, AssistentInnen und LehrerInnen entwickelt.

Die Inhalte in allen drei Levels werden zusätzlich durch Audiomaterial unterstützt. Das bedeutet, dass die Inhalte auch in gesprochener Sprache erklärt werden.

Angepasst an die Bedürfnisse
Loomy.net wurde gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt und entspricht deren Bedürfnissen und Vorstellungen. Weiters waren die Richtlinien der W3C (World Wide Web Consortium) und der WAI (Web Accessibility Initiative) Grundlagen der Entwicklung.

Im Moment ist www.loomy.net erst in einer Beta-Version verfügbar, d. h., dass die Plattform noch nicht vollständig fertig gestellt ist. In der Beta-Version sind zwar das Grunddesign und die -struktur fertig, es finden sich jedoch noch nicht sehr viele aktuelle Inhalte und es werden noch einige kleinere Veränderungen am Design vorgenommen. Nach Beendigung des Projekts wird die Alpha-Version von loomy.net online gehen. Ab Ende Februar 2006 werden dann auch umfassende aktuelle Inhalte verfügbar sein.

Info: alpha nova | Beratungszentrum Kalsdorf, Römerstraße 92, 8401 Kalsdorf
Mag. Silke Fahrner (Projektleiterin) | 03135-56 382-13 | silke.fahrner@alphanova.at

 

 

Sprache ohne Barrieren –
Uni Graz präsentiert Fachgebärdenlexikon
   

Mit der DVD „SignLex – Arbeit & Soziales“ hat die Arbeitsgruppe Gebärdensprache am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft (ITAT) der Karl-Franzens-Universität Graz ein einzigartiges Fachlexikon der Gebärdensprache für den Bereich Arbeit und Soziales entwickelt.

Beitrag der Forschung für mehr Lebensqualität
„Fachgebärdenlexika sind eine Voraussetzung dafür, dass auch gehörlose Menschen an der Wissensgesellschaft teilnehmen können“, erklärt Dr. Nadja Grbic, Leiterin der Projektes „SignLex“. „Als Grundlagen für GebärdensprachdolmetscherInnen und Lernende der Gebärdensprache fördern sie zugleich die Anerkennung der visuell-gestischen Kommunikationsform und stärken dadurch wiederum die Stellung Gehörloser in der Gesellschaft.“ Mit Unterstützung von Seiten des Bundessozialamts und der FA für Sozialwesen der Steiermärkischen Landesregierung konnte ihre „Arbeitsgruppe Gebärdensprache“ einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Situation gehörloser Menschen leisten. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe setzt sich aus hörenden und gehörlosen MitarbeiterInnen, VertreterInnen der Translationswissenschaft, der Erziehungs- und Bildungswissenschaften, der Sprachwissenschaft, GebärdensprachdolmetscherInnen und einem Videotechniker zusammen.

Wichtiges Hilfsmittel für Gehörlose
Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist die Muttersprache von zirka 10.000 gehörlosen und hochgradig schwerhörigen Menschen. Die DVD enthält über 300 Lexikon­einträge aus den Bereichen Arbeitsrecht, Ämter und Behörden, Beruf und Ausbildung, Behinderung und Gleichstellung, Gesundheit etc., die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind. Dr. Margareta Steiner, Landesstellenleiterin des Bundessozialamtes, hob die jahrelange erfolgreiche Kooperation hervor: „Die Arbeit, die am ITAT geleistet wird, zeichnet sich besonders dadurch aus, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gebärdensprache hervorragend in die Praxis übertragen wird und damit von großer gesellschaftlicher Relevanz ist.“

LAbg. Johannes Schwarz nannte das an der Uni Graz entwickelte Fachgebärdenlexikon einen „wichtigen Puzzlestein, damit ,Leben wie andere auch‘ nicht Schlagwort bleibt, sondern zur Realität wird“. Ziel der Sozialpolitik des Landes Steiermark sei eine „gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft“.

– gp / js –

 

 

 

Berufschancen für Menschen mit Behinderung

 

   

Die Lebenshilfe Graz und Umgebung Voitsberg koordinieren das EU-Projekt IBB (Integrative Berufsausbildung zum/r pädagogischen AssistenIn) mit dem Ziel, Menschen mit und ohne Behinderung eine gemeinsame Ausbildung zum/r Behindertenbetreuer/in zu ermöglichen. Zusammen mit fünf EU-Projektpartnern aus Italien, Polen, Belgien, Irland und Spanien werden ein gemeinsames Unterrichtskonzept entwickelt und Möglichkeiten der Umsetzung im Bildungssystem aufgezeigt. Gemeinsam mit dem Caritas-Ausbildungszentrum für Sozialberufe Graz-Wielandgasse wurde nun ein siebenwöchiger Probelauf gestartet, der mit einer Zertifikatsverleihung am 21. Dezember seinen feierlichen Abschluss fand.

Praktische Erprobung in der Ausbildung
Das EU-Projekt IBB startete im November 2003 und wird im Oktober 2006 finalisiert werden. Im Projekt IBB (Integrative Berufsausbildung zum BehindertenbetreuerIn – pädagogische AssistentIn) arbeitet ein von der LH GUV koordiniertes europäisches Projektteam an der Entwicklung eines integrativen Lehrgangsmodells. In den letzten Monaten beschäftigten sich die Projektpartner intensiv mit der Grundlagenforschung, so wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Implementierung integrativer Berufsausbildungen überprüft und ein entsprechender Maßnahmenkatalog erstellt.

Derzeit führen drei Projektpartner praktische Erprobungen durch, an der insgesamt 13 Menschen mit Lernschwierigkeiten teilnehmen. Für zwei Monate besuchen sie den Unterricht in einschlägigen Ausbildungsstätten. In Graz beteiligen sich seit 3. November vier Menschen mit Behinderung am Unterricht der ersten Klasse der Lehranstalt für heilpädagogische Berufe (LHB) am Caritas-Ausbildungszentrum für Sozialberufe Graz-Wielandgasse. Mit Erfolg für alle Beteiligten, wie eine Schülerin nach zwei Wochen des gemeinsamen Unterrichts bestätigt: „Ich stelle mit Freude fest, dass ich viel von unseren Gästen gelernt habe. Sie haben sich sehr gut in die Klasse integriert. Ich finde es schön, dass wir dieses Projekt machen. Schade, dass es nun zu Ende ist!“

Integrativer Unterricht in berufsbildenden Schulen
In Österreich haben Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, bis zum Abschluss der Pflichtschule am integrativen Unterricht teilzunehmen. Eine weiterführende gemeinsame Ausbildung ist im Schulsystem nicht vorgesehen. Durch die Öffnung der berufsbildenden Schulen für Menschen mit Behinderung sollen nun neue Berufsfelder eröffnet werden. Berufliche Integration trägt wesentlich zur Normalisierung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung bei; eine Umsetzung der Projektergebnisse in die Regelausbildung von Behindertenfachkräften wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Mit diesem Projekt arbeitet die Lebenshilfe Graz und Umgebung – Voitsberg konkret an der Verwirklichung des Leitbildes. Donat Schöffmann, Geschäftsführer der Lebenshilfe GUV bestätigt: „Wenn KundInnen als KollegInnen in der Betreuung und Begleitung von Menschen mit Behinderung aktiv mitarbeiten, kommen wir unserer Vision – 'leben und arbeiten wie andere auch‘ – ein großes Stück näher“.

Berufliche Qualifikation als Ziel
Für Direktorin Mag. Waltraud Wiener vom Caritas-Ausbildungszentrum verfolgt das internationale Projekt das wichtige Ziel, „dass Menschen mit geistiger Behinderung im Rahmen einer normalen Schulausbildung in Zukunft eine berufliche Qualifikation zum/r pädagogischen AssistentIn erwerben können.“ Im Rahmen einer feierlichen Abschlussveranstaltung zum Probelauf des EU-Projekts IBB im Caritas-Ausbildungszentrum für Sozialberufe Graz-Wielandgasse 31 berichteten am 21. Dezember die Beteiligten von ihren Erfahrungen; weiters wurden den vier TeilnehmerInnen Zertifikate in Anwesenheit von VertreterInnen des Bundesministeriums für Wissenschaft, Bildung und Kunst sowie des Landes, der Lebenshilfe und der Caritas überreicht.

Infos:
Lebenshilfe Graz und Umgebung – Voitsberg | Mag. Birgit Spiegel, C.v.Hötzendorfstraße 37a, A-8010 Graz
T 0316-71 55 06-626 | M 0676-84 71 55-626 | b.spiegel@lebenshilfe-guv.at

Caritas Ausbildungszentrum für Sozialberufe Graz-Wielandgasse, Lehranstalt für Heilpädagogische Berufe, Direktorin Mag. Waltraud Wiener, Wielandgasse 31, A-8010 Graz | 43 316-82 41 51 | www.caritas-graz.at

 

 

1.000-Euro-Scheck für das Sozialamt der Stadt Graz

 

   

Ein besonderes Zeichen in der Adventszeit setzte „Camerata Chirurgica Graziensis“, Chor und Orchester der Universitätsklinik für Chirurgie der Med-Uni Graz, am 20. Dezember im Grazer Sozialamt. Die Spenden, die der Chor am dritten Adventsonntag bei seinem alljährlichen Benefizkonzert in der Pfarrkirche St. Leonhard gesammelt hat, gingen in diesem Jahr an das Sozialamt der Stadt Graz.

Die Initiatorinnen des Konzerts, Univ. Prof. Dr. Freyja-Maria Smolle-Jüttner und Oberschwester Eva Wallisch übergaben die Spende Stadträtin Tatjana Kaltenbeck-Michl und dem Abteilungsvorstand des Sozialamts Mag. Gernot Wippel. „Jedes Jahr erleben wir, dass PatientInnen im Winter nicht entlassen werden wollen, weil sie ihre Heizkosten nicht bestreiten können. Mit unserem Adventkonzert wollen wir diesen Menschen helfen“, berichtet Dr. Smolle-Jüttner.

Sozial-Stadträtin Kaltenbeck-Michl bedankte sich angesichts der herrschenden Kälte – gerade was die politische Auseinandersetzung über sozial und finanziell schlechter gestellte Menschen anbelangt – beim Chor und Orchester der Uni-Klinik für Chirurgie: „Menschen sind nicht freiwillig arm und abhängig von staatlichen Leistungen. Bis gestern wurden 44.614 Euro an insgesamt 1.613 Ansuchende für die städtische Weihnachtsbeihilfe weitergegeben. Auch der Heizkostenzuschuss wurde heuer von 3.311 berechtigten Personen in Anspruch genommen.“

 

 

Herbergssuche beendet:
Erstmals trockene Weihnachten für Roma

   

Ondrej Berki (58), ehemals ein Bettler in Graz und nun der Bürgermeister von Hostice/Slowakei, hat es geschafft: Dank seines engagierten Einsatzes ist es ihm – mit Unterstützung der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg – gelungen für die ärmsten Roma seines Dorfes neue Wohnungen zu bauen.

Nach jahrelanger Begleitung durch die Vinzenzgemeinschaft Eggenberg hat die Dorfgemeinschaft von Hostice in der Ostslowakei gelernt, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: Die Verhältnisse, in denen die meisten Roma-Familien bisher gelebt haben, sind für uns kaum vorstellbar: Ihr bisheriges Dach über dem Kopf, das so genannte „Schloss“, war ohne Strom, feucht, ungeheizt, angeschimmelt und die Decke drohte einzustürzen. Hier überhaupt noch eine Zukunftsperspektive zu erkennen, war nahezu unmöglich. Doch Ondrej Berki, der sich selbst jahrelang seinen Lebensunterhalt in Graz erbettelt hat, hat nicht locker gelassen, bis sich sein Traum von einem menschenwürdigen Leben für viele seiner Mitbürger erfüllt hat.

Herbergssuche in Hostice – vorweihnachtliche Freude auf ein neues Zuhause

Die Vinzenzgemeinschaft Eggenberg hat dem Roma-Bürgermeister geholfen den notwendigen Finanzierungsanteil in der Höhe von 30.500 Euro (das entspricht einem Anteil von 16% an den Gesamtbaukosten) aufzubringen. Ondrej Berki hat seine Dorfgemeinschaft so gut organisiert und motiviert, dass alle jene Familien, die in den in diesem Jahr errichteten Wohnungen ein neues Zuhause finden, alle Hilfstätigkeiten am Bau selbst ausgeführt haben. Baubeginn für die 12 Wohneinheiten mit je 30 m² Wohnfläche war der 8. August 2005. In der letzten Adventwoche, und damit noch rechtzeitig vor Weihnachten, erfolgt – nach einer Rekordbauzeit von nur vier Monaten – die Übergabe. Für die einziehenden Roma-Familien wird es das erste Weihnachtsfest sein, das sie in einer geheizten und trockenen Umgebung feiern dürfen.


 

Eine Pädagogik für alle
   

Die Schulsysteme besonders der deutschsprachigen Länder zeichnen sich durch eine Vielzahl von Sonderpädagogiken für genau definierte Schülergruppen aus, seien es die Kinder mit Förderbedarf aufgrund von Lernschwächen, Sinnes- oder Körperbehinderungen, Kinder mit einer anderen Muttersprache als deutsch, aber auch Kinder mit besonderen Begabungen bis hin zur Hochbegabtenförderung mittels einer eigenen Schule.

Boban und Hinz wollen LehrerInnen zu einer „Schule der Vielfalt“ ermutigen

Spätestens seit PISA ist aber klar: diese Spezialisierung bringt zumindest nichts in Bezug auf den allgemeinen Bildungsstand. Die Türen in Richtung einer gemeinsamen Mittelstufe für alle 10- bis 14-Jährigen werden geöffnet.

Die Vorreiter eines Entwicklungsprozesses zu einer Schule für alle im deutschsprachigen Raum, Ines Boban und Prof. Dr. Andreas Hinz, beide an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrend und forschend tätig, sind Herausgeber der für deutschsprachige Verhältnisse adaptierten Fassung des „Index of Inclusion“ und präsentierten diesen unter dem Titel „Index goes Austria“ auf fünf eintägigen Workshops in Österreich. Beim Index für Inklusion handelt es sich um eine Sammlung von Indices, die Schulen im Prozess einer inklusiven Schulentwicklung unterstützen sollen. Im britischen Raum findet der Index of Inclusion bereits seit 1997 / 98 erfolgreich Anwendung.

Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation für eine Schule für alle
Das primäre Ziel des Index ist es, Schulen, die sich zu 'Schulen für alle’, also zu inklusiven Schulen entwickeln wollen, Hilfen anzubieten, dass sie mit allen Beteiligten gemeinsam den aktuellen Stand ihres Umgangs mit Heterogenität und die eigene Entwicklung zur Inklusion reflektieren können. Dabei geht es um die Analyse der eigenen Praxis, die gemeinsame Entwicklung von Prioritäten für Veränderungen und um die Realisierung nächster Entwicklungsschritte. Wenn sich eine Schule auf den Weg macht, den Ist-Zustand nach den Kriterien des Index-Fragen-Kataloges zu durchleuchten, ein inklusives Schulprogramm zu entwerfen und dabei Prioritäten für die Umsetzung der Ziele zu setzen, sollte natürlich auch eine diesen Prozess reflektierende Begleitung durch außen stehende, kritische Freunde stattfinden, damit verhindert wird, dass entscheidende, aber unangenehme Punkte weggeschoben werden.

Ziele einer Schule für alle sind: gleiche Wertschätzung aller SchülerInnen und aller MitarbeiterInnen, Abbau von Barrieren für gemeinsames Lernen und Teilhabe aller SchülerInnen, nicht nur solcher mit Beeinträchtigungen oder solcher, denen Förderbedarf zugesprochen wird, Anerkennung, dass alle SchülerInnen Anspruch auf wohnortnahe Bildung haben und Verbesserung von Schulen nicht nur für SchülerInnen, sondern auch für alle anderen Beteiligten.

Inklusion ist eine Weiterentwicklung von Integration auf einem höheren Niveau und von einem veränderten Standpunkt aus.
Bei der Inklusion geht es darum, alle Barrieren in Bildung und Erziehung für alle SchülerInnen auf ein Minimum zu reduzieren. Es beginnt bei der Wahrnehmung von Unterschieden zwischen SchülerInnen, dem Einbeziehen aller Dimensionen von Heterogenität, ja sogar einen willkommen heißenden Umgang mit Heterogenität. Eine allgemeine Pädagogik für alle erkennt die Vielfalt als Normalfall und wird zu einer Pädagogik der Vielfalt.

Index für Inklusion als Angebot zur Schulentwicklung
Der von Hinz und Boban vorgelegte Index für Inklusion macht Vorschläge zum Vorgehen und zur inhaltlichen Orientierung und bietet einen umfangreichen Fragenkatalog, aus dem Schulen schöpfen können, wenn sie vor der verordneten oder selbst gestellten Aufgabe der Evaluation stehen. Der Index bietet eine Systematik, die dabei hilft, nächste – und zwar angemessen große oder kleine, verkraftbare, realistische – Schritte in der Entwicklung zu gehen. Neben einem theoretischen Teil über die Bedeutung von Inklusion und einer Prozessbeschreibung für eine inklusive Schulentwicklung kann der in drei Dimensionen gegliederte Fragenkatalog eine systematische Durchleuchtung der jeweiligen Schulwirklichkeit ermöglichen.

Die erste Dimension beschäftigt sich mit dem sozialen Miteinander und der Verankerung inklusiver Werte. Da heißt es z. B. unter den Titel „Die MitarbeiterInnen arbeiten zusammen“: Gehen alle MitarbeiterInnen unabhängig von ihrer Berufsrolle in der Schule respektvoll miteinander um? Oder unter dem Item „An alle SchülerInnen werden hohe Erwartungen gestellt“: Werden alle SchülerInnen darin bestärkt, stolz auf ihre Leistungen zu sein? Dimension B lenkt die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten der Unterstützung aller SchülerInnen durch ein Angebot der Vielfalt: Bemüht sich die Schule Hindernisse für die Teilhabe am Unterricht abzubauen? Ist für neue SchülerInnen klar, an wen sie sich wenden können, wenn sie Schwierigkeiten haben? Lernen alle KollegInnen, wie sie Mobbing und Gewalt begegnen können? usw. Im dritten Teil geht es um die Entwicklung inklusiver Praktiken in der konkreten Unterrichtsgestaltung und den Umgang mit Ressourcen. Da heißt es beispielsweise: Berücksichtigt der Unterricht Unterschiede in Wissen und Erfahrung? Werden alle Sprachen und Kommuniktionssysteme gleichwertig behandelt? (z.B. bei Bedarf Einsatz von Gebärdensprachekundigen) oder: Wird den SchülerInnen die Möglichkeit gegeben, zwischen Aktivitäten auszuwählen?

In Arbeit befindet sich auch ein Index für Inklusion für Horte und Kindergärten, für die LehrerInnenausbildung und für Kommunalpolitik.

Ein neu gegründetes Indexteam Steiermark am Landesschulrat befasst sich mit den Einsatzmöglichkeiten des Index-Angebots auf steirischer Schulebene.

Gertrud Muckenhuber

Kontakt
Integration: Österreich | www.ioe.at

Der Index-Fragen-Katalog ist erhältlich bei:
Prof. Dr. Andreas Hinz | hinz@paedagogik.uni-halle.de


„Pflegepersonen müssen von ihrer Arbeit anständig leben können“
   

Ein Vertrag zwischen dem Land Steiermark und den Betreibern von Pflegeheimen soll nach dem Willen des Sozialreferenten des Landes, Landeshauptmannstellvertreter Kurt Flecker, die Qualität der Pflege und die kollektivvertragliche Bezahlung des Pflegepersonals sichern. Unterschrieben wurde die Vereinbarung – die auch mit November 2005 eine erste Erhöhung der Tagsätze um 4,6% vorsieht – bis jetzt aber nur von rund 30 von 180 steirischen Pflegeheimträgern. Zentraler Streitpunkt ist die Bezahlung des Pflegepersonals nach dem bestehenden Kollektivvertrag.

Sozialreferent LH-Stv. Kurt Flecker: Höchstmögliche Pflegequalität und kollektivvertragliche Absicherung des Pflegepersonals bleiben oberste Ziele

Insider wissen: Die Entlohnung des Personals in manchen privaten Pflegeeinrichtungen ist wenig motivierend – 900 Euro brutto monatlich bei oftmals deutlich mehr als 40 Stunden dürften keine Seltenheit sein, in manchen Fällen soll die Entlohnung auch noch darunter liegen. Der (auf Bundesebene ausgehandelte) „Kollektivvertrag für die Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS) und deren Arbeitnehmerinnen“ sieht in der niedrigsten Verwendungsgruppe ein Einstiegsgehalt von immerhin 1148,- Euro brutto vor. Können sich die HeimbetreiberInnen diese (ohnehin eher karge) Entlohnung ihrer MitarbeiterInnen wirklich nicht leisten? Und: Warum können dann die gemeinnützigen Heimträger Volkshilfe und Caritas entsprechende Löhne zahlen?

„Freiheit und Sicherheit“
Caritas-Präsident Franz Küberl – die Caritas betreibt derzeit in der Steiermark acht Pflegewohnhäuser – will den ungefähr 460 BewohnerInnen der Heime seiner Institution „Freiheit und Sicherheit gleichzeitig“ bieten. Weiteres wichtiges Anliegen: „Auch die Angehörigen sollen sich in den Pflegeheimen wohl und willkommen fühlen – auch darum gibt es bei uns Besuchszeiten rund um die Uhr.“ Die HeimbewohnerInnen können auch jederzeit zu ihren Verwandten, wenn die Möglichkeit und der Wunsch dazu bestehen – und umgekehrt können Angehörige auch einmal die Nacht im Pflegeheim verbringen. Küberl: „Auf diese Durchlässigkeiten, die eigentlich im gesamten Pflegebereich ,normal‘ sein sollten, legen wir großen Wert.“

Caritas-Direktor Franz Küberl: Wenn die Qualität der Arbeit stimmen soll, müssen die Menschen ausreichend entlohnt werden.

Qualitativ hochwertige Pflege verlangt auch entsprechendes Engagement der MitarbeiterInnen. Küberl: „Wenn man will, dass die Qualität der Arbeit stimmt, müssen die Menschen ausreichend entlohnt werden und von ihrer Arbeit anständig leben können.“ Darum zahle die Caritas die kollektivvertraglich festgelegten Löhne. „Anständig leben“ gelte aber auch für die Betreuten – darum würden die Pflegeheime der Caritas nach dem „All-inclusive-Prinzip“ geführt. „Zum Beispiel müssen alle betreuten Personen gleichermaßen Zugang zu den verschiedenen angebotenen Aktivitäten bekommen – es kann nicht angehen, dass diejenigen, die sich’s leisten können, besonders unterhalten werden.“ Der Vertrag mit dem Land stelle eine wichtige Rahmenbedingung für die Pflege dar, sagt Küberl, „darum haben wir ihn auch unterzeichnet.“

Nachbesserungsbedarf sieht er u.a. bei Heilbehelfen: „Hier müsste gewährleistet sein, dass diese von den eigentlich zuständigen Kostenträgern, nämlich den Krankenkassen, bezahlt werden“. Zudem sollte das Sozialressort dazu verpflichtet sein, im Fall einer Kündigung des Vertrages mit einem Betreiber die Gründe für diesen Schritt anzugeben.

Großzügige Übergangsfristen
Durch die Bezahlung der Beschäftigten nach Kollektivvertrag käme es zu Kostensteigerungen beim Personal von über 22%, argumentierten manche privaten Pflegeheimbetreiber ihre Weigerung, den Vertrag mit dem Land zu unterzeichnen. Für Volkshilfe-Geschäftsführer Franz Ferner, der den Vertrag unterschrieben hat, ist diese Berechnung „aufs erste nicht nachvollziehbar: Bei diesen Rechenbeispielen könnte übersehen worden sein, dass es eine zehnjährige Übergangsfrist mit entsprechenden Einschleifregelungen gibt. Womöglich hat man das angestrebte Endergebnis im Jahr 2015 als Vergleichswert herangezogen“. Der steirische GPA-Vorsitzende LAbg. Klaus Zenz ergänzt: „Zudem müssen in der Steiermark nur 96% jener Sätze bezahlt werden, die der Bundes-Kollektivvertrag vorsieht.“ Für Zenz ist es „eine Selbstverständlichkeit, dass Pflegebedienstete, die ja sehr schwere Arbeit leisten, nach Kollektivvertrag bezahlt werden müssen.“

Gewerkschafter Klaus Zenz: Bezahlung nach Kollektivvertrag sollte eine Selbstverständlichkeit sein

Volkshilfe-Geschäftsführer Franz Ferner: Gemeinnützige Träger haben unter anderem deshalb weniger Probleme mit der Bezahlung ihres Personals, weil sie statt auf Gewinne auf Kostendeckung ausgerichtet sind.

Dass Volkshilfe und Caritas, wie manche privaten Betreiber behauptet hatten, bei der Bezahlung ihres Personals deswegen weniger Probleme hätten, weil sie die Abgänge aus dem Betrieb der Pflegeheime von der öffentlichen Hand refundiert bekämen, bezeichnet Ferner schlicht als „Quatsch“: „Der einzige Punkt, wo wir gemeinnützigen und öffentlichen Betreiber Privaten gegenüber in der Tat ein wenig im Vorteil sind, ist die Befreiung von der Kommunalsteuer.“ Einmalige Förderungen und Unterstützungen – etwa durch Gemeinden, die in ihrem Gebiet ein Pflegeheim benötigen – nähmen private Träger genauso in Anspruch wie gemeinnützige. Ferner: „Wir können zweifellos kostengünstiger wirtschaften als manche Private, weil wir Synergien aus der Größe ziehen – wir verfügen über rund 1.200 Betten –, unsere Kostenrechnung und Steuerinstrumente fachlich bestens aufgestellt sind, die Qualität unserer Pflege in der Bevölkerung breit anerkannt ist – und weil wir statt auf Gewinne auf Kostendeckung ausgerichtet sind.“

Einigung in Sicht?
Eine Klage, die von einigen privaten Pflegeheimbetreibern gegen das Land Steiermark angestrengt worden war, haben diese inzwischen wieder ruhend gestellt, man ist wieder in Verhandlungen eingetreten. „Die ersten Gespräche mit den privaten Pflegeheimbetreibern waren konstruktiv und machen Hoffnung auf eine zukunftsweisende Einigung“, sagt Sozialreferent Kurt Flecker. „Viele Missverständnisse konnten gleich in der ersten Gesprächsrunde ausgeräumt werden. Nun werden wir unsere jeweiligen Kalkulationen und die dazugehörigen Grundlagen austauschen und so einen für alle gangbaren Weg suchen. Über die Details haben wir im Hinblick auf gedeihliche Verhandlungen Stillschweigen vereinbart.“ Für den Soziallandesrat bleiben „höchstmögliche Pflegequalität ebenso wie kollektivvertragliche Absicherung des Pflegepersonals oberste Ziele“. Nachsatz: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns auf genau diese Ziele einigen werden.“

Christian Stenner

 




Es gibt sie: Alternativen zur Pflege rund um die Uhr

 

   

Das Sozialmedizinische Zentrum Graz-Liebenau veranstaltete zum Thema Möglichkeiten und Grenzen der 24-Stunden-Pflege ein ExpertInnengespräch mit Mag.a Renate Skledar (Patienten- und Pflegeombudsfrau des Landes Steiermark), Mag.a Norma Rieder (Leiterin des Referats für Sozialplanung der Stadt Graz) und Franz Ferner (GF der Volkshilfe Stmk), das von Dr. Rainer Possert moderiert wurde. Der Tenor der Diskussion: Pflege rund um die Uhr ist schwer zu realisieren – aber sie ist in vielen Fällen gar nicht nötig. Was fehlt, sind passgenaue Angebote.

Norma Rieder: Flexible Betreuungsformen müssen nicht nur angeboten, sondern auch mitfinanziert werden.

Im SMZ Liebenau wird seit 1990 flächendeckende Betreuungs- und Pflegearbeit für die Bezirke Liebenau und Puntigam angeboten. Monatlich werden ca. 100 PatientInnen von 20 MitarbeiterInnen der Hauskrankenpflege, der Pflege- und der Heimhilfe betreut. Aufgrund dieser jahrelangen Praxis konnte ein Bedarf an einer 24-Stunden-Pflege oder Betreuung geortet werden, der jedoch im Rahmen der herkömmlichen Hauskrankenpflege nicht durchzuführen ist. Immer häufiger übernehmen ausländische Pflegerinnen jeweils für einen Zeitraum von 14 Tagen diese Betreuung, jedoch ohne arbeitsrechtliche Absicherung und ohne Klärung der Verantwortlichkeiten gegenüber den Patienten. Darüber werden die bei den sozialen Diensten geforderten hohen Standards, wie z.B. Dokumentationspflicht, Weiterbildungspflicht etc. nicht erfüllt.

Gesellschaft ist nicht bereit, 24-Stunden-Pflege zu finanzieren
Bei der gut besuchten Diskussionsveranstaltung wurde eingangs dargelegt, dass dem steigenden Pflegebedarf knappe Ressourcen gegenüberstehen. Deshalb werden die geschätzten 25 – 30.000 ausländischen Pflegerinnen augenzwinkernd akzeptiert („Sind wir doch froh, dass es sie gibt, sonst könnten wir uns vieles nicht leisten“) Laut Mag. Skledar kann der hohe Pflegeaufwand ab Pflegestufe 7 von mobilen Diensten nicht abgedeckt werden. Netzwerke würden benötigt als Vorsorge, denn niemand kann darauf bauen, dass der Staat im Alter Pflegeversorgung ermöglicht. „Die Gesellschaft ist momentan nicht bereit, eine 24-Stunden-Pflege zu Hause zu bezahlen.“

Franz Ferner: Volkshilfe bietet maßgeschneiderte Pflegeangebote.

Mag. Rieder erläuterte die gesetzlichen Hintergründe: So werden durch das steirische Sozialhilfegesetz die Gemeinden damit betraut die Pflege sicherzustellen, entweder indem sie diese selbst anbieten oder anerkannte Trägerorganisationen, für die festgeschriebene Standards gelten, damit beauftragen. Die Betreuungsstunden werden vom Land, der Gemeinde und dem jeweiligen Klienten drittelfinanziert.

Zu wenig teilstationäre Angebote
Der Zuschuss ist – im Gegensatz zur Restfinanzierung bei der Unterbringung in (Pflege-)Heimen - nicht rückersatzpflichtig. Diese Rückersatzpflicht wirkt sich hemmend auf alte, pflegebedürftige Menschen aus, sich in Heimpflege zu begeben. „ Sie wollen ja das Erbe bzw. das Vermögen ihrer Kinder nicht schmälern“, so Rieder. Aus diesem Grund und durch das nunmehr sehr große Angebot an Heimen mit Pflegestationen kann jeder Pflegebedürftige innerhalb sehr kurzer Zeit auf einem Kurzzeit- oder Dauerplatz untergebracht werden. „Allerdings ist die heutige rechtliche Situation auf diese tradierten Modelle abgestellt“, kritisierte Rieder die starren Strukturen, „was fehlt, sind teilstationäre Angebote, Tagesstätten und betreute Wohnformen. Hier müsste nachjustiert werden.“ Umso mehr als es spätestens ab 2015 schwierig werden wird, den prognostizierten Anstieg an Pflegebedürftigen zu betreuen, da dann die geburtenstarken Jahrgänge altern, und die jüngere Frauengeneration nicht mehr so bereit bzw. in der Lage ist, die Pflege im familiären Rahmen zu übernehmen.

Nicht alle brauchen eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung
In diese bereits jetzt sich öffnende Lücke trifft das Angebot der 24-Stunden-Betreuung durch ausländische Pflegerinnen. Und diese funktioniert laut Rieder, wenn eine Familie anwesend ist und auf Qualität schaut.
Laut Franz Ferner werden durch das steigende Angebot aus dem Ausland jedoch keine Arbeitsplätze steirischer Pflegerinnen bedroht. Im Gegenteil: „Die Volkshilfe ist – sowohl was die Heimplätze als auch was die mobile Pflege betrifft, voll ausgelastet.“ In Nieder- und Oberösterreich stellt sich die Situation – durch die Nähe von Tschechien – kritischer dar. Und: „Es gibt natürlich auch legale Anbieter für 24-Stunden-Pflege, aber die können sich wohl nur sehr finanzstarke Klienten leisten.“ Allerdings gibt es, meint Ferner, sehr viel am Status quo zu kritisieren, zum Beispiel das augenzwinkernde Gutheißen einer illegalen Beschäftigungssituation mit all den Implikationen sowohl für die solcherart ungeschützt Beschäftigten als auch für die „Käufer“ dieser Dienstleistungen, die sich bei Schwierigkeiten an niemanden wenden können.

Patientenombudsfrau Renate Skledar (mit Moderator Rainer Possert): Gesellschaft muss sich entscheiden, ob sie 24-Stunden-Pflege finanzieren will.

Außerdem könnten durch ein Pflegescreening zu Beginn des Bedarfs für den einzelnen Klienten maßgeschneiderten Angebote zusammengestellt werden, die in vielen Fällen eine 24-Stunden-Pflege erübrigen würden. „Nicht alle, die das in Anspruch nehmen, brauchen eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Oft geht es auch nur darum, dass immer jemand im Haus ist, in Bereitschaft. Vielfach ist auch das umfassende – legale – Angebot an sozialen Diensten den Klienten und ihren Angehörigen nicht bekannt.“ Zum Vergleich stellte Ferner die Kosten für einen Pflegeplatz in einem Volkshilfe-Heim, 2150,- Euro pro Monat, und für eine ausländische Pflegerin, ca. 1400,- bis 1500,- Euro plus Verpflegung und Unterbringung, einander gegenüber.

Auch Rieder unterstrich, dass durch falsche oder fehlende Prävention Menschen auf Pflegeplätzen landen, die diese intensive Pflege gar nicht gebraucht hätten. Weiters: „Die Pflege ist nur ein Teil der Arbeit der ausländischen Betreuerinnen. Ein Gutteil ihrer Arbeit ist die Arbeit einer Haushälterin. Und dieser Bedarf ist da.“ In der Diskussion wurde klar, dass der Begriff 24-Stunde-Pflege sehr Unterschiedliches bedeuten kann. Von Fachpflege durch diplomierte Kräfte bis zur auch pflegenden Haushaltshilfe mit Dauerbereitschaft.


Welchen Weg soll Österreich gehen?
In Italien wurden über 70000 illegale Pflegekräfte, allerdings ohne weitere Rahmenbedingungen festzuschreiben, legalisiert, in Deutschland bekamen ausländische Pflegerinnen einen Vertrag über 40 Wochenstunden, was darüber hinausgeht, ist weiterhin illegal. Franz Ferner sieht eine Chance in der Spezialisierung, z. B. bietet die Volkshilfe ausgebildete Wundmanagerinnen, Inkontinenzberaterinnen, Betreuung für die letzten Lebenstage etc. an, um den Klienten mit einem genau auf den jeweiligen Bedarf abgestimmten Angebot dienen zu können.

Anerkannte Einrichtungen bieten überprüfbare Pflegestandards

Von der Politik wünscht sich Norma Rieder die Finanzierung von Zwischenstufen wie Seniorentagesbetreuung etc., damit auch dieses Angebot wächst. Und Renate Skledar plädiert für überprüfbare Pflegestandards zum Schutz der zu Pflegenden, die sowohl für den öffentlich angebotenen als auch für der privaten „Pflegemarkt“ gelten und für eine verpflichtende Pflegevorsorge. Private Pflegeversicherungen werden ja schon angeboten, eine Integration in die Pflichtsozialversicherung setzt sowohl die Bereitschaft der Gesellschaft, die Kosten für die Pflege gemeinsam zu tragen, als auch den politischen Willen zu einer entsprechenden Gesetzgebung voraus.

Gertrud Muckenhuber

 




„Es war Rassismus, oder?“

   

Im neu erschienenen Buch „MenschenLEBEN“ sprechen MigrantInnen, AsylwerberInnen, AnalphabetInnen und Arbeitslose über ihr Schicksal, ihre Hoffnungen und das Leben „am Rand in unserer Mitte“, wie der Untertitel verrät.

„Ich will eine sozial gerechte Welt, in der alle leben können und alle ihre Sprache sprechen dürfen. Eine Welt, in der alle ihre Kultur leben können. Eine gerechte Welt, wo es Arm und Reich nicht gibt. Eine Gesellschaft, die ohne Ausbeutung auskommt, ohne Sklaverei und ohne Hunger.“ Haydar Özbas ist Kurde. „In der Türkei ist man als Kurde ein Mensch zweiter Klasse“, erzählt der Vater von sechs Kindern im Interview mit Gertrud Kerschbaumer. Da er weder in seinem Heimatort noch in Istanbul eine entsprechende Arbeit fand um seine Familie ernähren zu können, ging er 1989 nach Österreich um hier sein Glück zu versuchen. Sieben Jahre lang arbeitete er bei einer Baufirma bis er 1998 entlassen wurde. Danach fand Haydar Özbas keine Arbeit mehr.

13 Berichte über das Leben am Rand
Dieser Umstand mag wohl mit ein Grund für seinen Wunsch nach einer gerechteren Welt sein. Seine Erwartungen an Österreich wurden „schon irgendwie erfüllt. Aber jetzt, durch die Kürzungen der Sozialleistungen, geht Europa in Richtung Türkei. Was es hier gibt, wird langsam abgeschafft. Der Sozialstaat wird immer mehr abgebaut. Das ist für die ganze Gesellschaft nicht o.k. Das ist auch das Problem in der Türkei. Dieser Vorgang bringt Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit“, ist Özbas überzeugt.

Haydar Özbas Geschichte ist nur eine von 13 vollkommen unterschiedlichen Berichten über das Leben. Das Leben als politisch Verfolgte, als wirtschaftlich Ausgebeutete, als Flüchtling, als Unsichtbare im neuen, fremden Land. 13 Erzählungen, genügend Stoff für berührende Romane und Hollywood-Schinken frei nach „Terminal“ mit Tom Hanks. Nur dass diese Geschichten selten ein Happy End haben. Auch wenn die Flucht aus dem eigenen Land geglückt ist, mussten die meisten Menschen, die in diesem Buch zu Wort kommen, auch in Österreich weiter kämpfen: vom mühsamen Prozess Deutsch zu lernen, über den langen Weg Arbeit zu finden, bis hin zu Konfrontationen mit Rassismus und Fremdenhass.

Mag. Robert Reithofer, Geschäftsführer von ISOP (Innovative Sozialprojekte) und Herausgeber von „MenschenLEBEN“ schreibt in seiner Nachbemerkung zum Buch: „Menschenleben zu erzählen und daraus politische Implikationen abzuleiten, die die Würde des Menschen verteidigen, stellt das Motiv für dieses Buch dar.“ Einmal gehört zu werden, scheint wesentlich. Dževad Karahasan, Mitherausgeber: „Es geht darum, dass Menschen sich äußern und ihrem Nächsten mitteilen. Solange dies möglich und der Fall ist, existieren noch Spuren des Menschlichen.“ Dieses Buch bot zumindest 13 Menschen eine Plattform hierfür.

Er durfte nicht zu seinen Freunden
Eine von ihnen ist Marie-Claude Uwamariya. Die 43-jährige Pädagogin flüchtete 1994 vor dem Genozid aus ihrer Heimat Ruanda. Seit acht Jahren lebt sie nun gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern in Graz. In Ruanda wurde die Familie verfolgt. Die Eltern ihres Mannes wurden 1998 von Soldaten erschossen, ihr eigener Bruder wurde brutal ermordet. Trotz dieser Umstände wurde der Familie erst nach vier Jahren Asyl gewährt.

Marie-Claude Uwamariya: Die gebürtige Ruanderin hofft, dass ihr Mann nach Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft leichter Arbeit finde

Marie-Claudes Mann kam bereits 1994 nach Österreich. Der studierte Biologe wurde nach drei Jahren arbeitslos. Auf der Suche nach einem neuen Job hörte er häufig, er wäre überqualifiziert. Auf die Frage, was sich die gebürtige Ruanderin von der österreichischen Staatsbürgerschaft erhofft, antwortet sie: „Dass mein Mann leichter Arbeit findet.“ Für ihn würde die Situation dadurch sicher besser. Ob dadurch auch die Diskriminierungen aufhören würden ist eher unwahrscheinlich: „Einmal wollte sich mein Mann um zehn Uhr abends mit österreichischen Freunden im Gasthaus treffen. Er ging dorthin, doch die Österreicher waren bereits im Gasthaus drinnen. Als mein Mann kam, wollten sie ihn nicht ins Lokal lassen. Sie haben ihn nach einer „Stammkarte“ gefragt. Er hatte natürlich keine. Er sagte: „Meine Freunde sind drinnen, sie haben mich angerufen, ich soll sie hier treffen.“ Doch das nützte nichts. Sie wollten es nicht erlauben und er kam wieder nach Hause. Zu Hause war er sich nicht sicher, ob es Rassismus gewesen war. Er sagte: „Es war Rassismus, oder?“

Manuela Palmar

MenschenLEBEN – Der Rand in unserer Mitte
Herausgegeben von Dževad Karahasan, Robert Reithofer und Gertrud Kerschbaumer
Erschienen bei Leykam Buchverlagsgesellschaft mbH.Nfg. & Co KG | Graz 2005

 

 

„Die Politik neu erfinden“

 

    Mit ISOP-Geschäftsführer und Mitherausgeber Mag. Robert Reithofer sprach Manuela Palmar für KORSO über die jüngsten Aussagen von Jörg Haider zur Ausländerpolitik und das neu erschienene Buch „MenschenLEBEN“.

Letzten Sonntag hat Jörg Haider in einer Presseaussendung mitgeteilt, dass alle Ausländer abgeschoben werden sollten, die längere Zeit ohne Beschäftigung sind. Gerade in den Erzählungen der Menschen in ihrem Buch geht es darum, dass MigrantInnen unbedingt arbeiten wollen, aber keine Jobs finden. Wie stehen Sie zu diesen Äußerungen?

In den letzten Jahren sind solche Aussagen keine Seltenheit. Die ständig wiederkehrenden Vorurteile gaben letztendlich auch den Anstoß dieses Buch herauszugeben. Die neoliberale Politik hat sich verselbstständigt. Probleme, die politisch nicht aufgearbeitet werden, führen dazu, dass Sündenböcke erschaffen werden müssen. Dieses Mal sind es wieder die Ausländer, die an allem Schuld sind, das nächste Mal sind es die „Sozialschmarotzer“. Unser Buch „MenschenLEBEN“ soll dem entgegen wirken.

Wie wirken sich solche Äußerungen gesellschaftlich aus?

Wenn diese Themen in den Medien massiv diskutiert werden, wie es z.B. damals in der Türkeifrage mit Bgm. Siegfried Nagl passiert ist, steigen verbale Attacken auf ausländische MitbürgerInnen. Nach der vorletzten Gemeinderatswahl, in der von Seiten der FPÖ bewusst negative Stimmung gegen MigrantInnen gemacht wurde, hat man einem Bekannten von mir in der Straßenbahn gesagt: „Jetzt sind wir euch dann endlich los.“ So etwas passiert immer wieder.

Auch das Thema Integration findet prominenten Platz in MenschenLEBEN. Haiders Einstellung dazu: „Entweder sie (MigrantInnen Anm.) respektieren die Kultur des Gastgeberlandes, oder sie kehren in ihre Heimat zurück.“

Haider verwendet das Wort „Kultur“ als Kampfbegriff, ähnlich wie Samuel P. Huntington in seinem Buch (Kampf der Kulturen Anm.). Auch wenn da jetzt viele nicht mit mir einer Meinung sind: Österreich ist ein Einwanderungsland. Die Politik verweigert die Anerkennung dieser Tatsache. Es stellt sich die Frage, wie man den Begriff „Kultur“ versteht. Wenn es darum geht Deutsch zu lernen, so kann ich nur sagen, ISOP kann gar nicht so viele Deutschkurse anbieten, dass die Nachfrage annähernd befriedigt wird. Vielleicht gibt es wirklich einige MigrantInnen, die nicht Deutsch lernen wollen, aber das sind höchstens zwei oder drei Prozent. Die Politik hat noch nicht verstanden, dass Integration auf Dauer das billigste für eine Gesellschaft ist. Hier zitiere ich gerne Pierre Bourdieu, der einmal gesagt hat, man müsse die Politik neu erfinden.

Was bedeuten solche Äußerungen für die Arbeit bei ISOP, was verändert sich dadurch?

Für uns ist es ganz wichtig politische Positionen zu vertreten. Ich bezeichne mich selbst als radikal pragmatisch. Das geht soweit, dass wir seit zwei Jahren keinen Groschen mehr vom Innenministerium bekommen, weil ich öffentlich die Integrationspolitik kritisiert habe.

Zurück zum Buch: Die meisten Geschichten sind nicht mehr ganz aktuell. Weiß man ob sich in den Leben der Menschen, die im Buch zu Wort gekommen sind etwas verändert hat?

Marie-Claudes Mann hat inzwischen neue Arbeit gefunden, leider nicht in Österreich, er arbeitet in Schottland bei der UNO. Marie-Claude selbst arbeitet seit rund eineinhalb Jahren bei ISOP im Projekt IKU mit. Dieses Projekt zielt darauf ab, Vorurteile und Rassismus schon früh abzubauen. Die Verantwortlichen gehen in die Kindergärten und Schulen und stellen dort ihre Kultur vor. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Integration.

Sie zitieren im Nachwort Dževad Karahasan, der der Meinung ist, so lange sich Menschen äußern dürfen, existiert noch eine Spur Menschlichkeit. Dieses Buch stellt so eine Mitteilungsplattform dar. Gibt es schon Überlegungen MenschenLEBEN fortzusetzen?

Wir werden in diese Richtung bestimmt etwas weiter machen.

Danke für das Gespräch

Robert Reithofer: „ISOP kann gar nicht so viele Deutschkurse anbieten, dass die Nachfrage auch nur annähernd befriedigt wird.“

 


 

ISOP-Lehrgang für professionelle Integrationsarbeit

 

    Der erste Kurs für die „Interkulturelle Beratung von ZuwanderInnen und Organisationen“ in der Steiermark fand am 15.12.2005 mit der Überreichung der Zertifikate an die zwanzig erfolgreichen TeilnehmerInnen seinen krönenden Abschluss.

Da die Auseinandersetzungen zur Integration in der Öffentlichkeit oft von Vorurteilen und Unsicherheit geprägt sind, ist es für Personen, die Menschen mit Migrationshintergrund unterstützen, besonders wichtig, einen Ort zu haben, an dem Probleme diskutiert und Beratungskonzepte und Handlungsstrategien vorgestellt und entwickelt werden können. Der Kurs bildet somit einen weiteren wichtigen Baustein für die Arbeit in der interkulturellen Öffnung unseres Landes sowie einer verbesserten Teilhabe von MigrantInnen in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen – bei gleichzeitig gelebter kultureller Vielfalt.

Pilotprojekt für die Steiermark
Die Ausgangssituation hierzulande ist allgemein bekannt: Die alltägliche Begegnung mit Menschen, die aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen zugewandert sind, ist in unserer Gesellschaft mittlerweile zu einem ganz „normalen“ Phänomen geworden. Dennoch verläuft das Zusammenleben gerade in urbanen Räumen nicht immer reibungslos bzw. bleibt die Akzeptanz des Fremden und seiner Eigenheiten allzu oft auf der Strecke.

Mit der finanziellen Unterstützung des Sozialressorts des Landes Steiermark wurde daher ein Pilotlehrgang ins Leben gerufen, um das kulturelle, rechtliche und soziale Hintergrundwissen der in der Beratungsarbeit Tätigen zu erweitern bzw. deren individuelle Kompetenz im Umgang mit Flüchtlingen zu erhöhen. Dazu gehört neben einer professionellen Hilfestellung auch der Respekt vor den Besonderheiten anderer Lebensformen, betont Landesrat Dr. Kurt Flecker: „Integration beruht auf freiwilliger Annäherung und darf nicht mit erzwungener Assimilation verwechselt werden.“

Enormer Andrang auf Kursplätze
Der in diesem Jahr erstmals von ISOP (Innovative Sozialprojekte) in Zusammenarbeit mit dem bfi (Berufsförderungsinstitut Steiermark) angebotene Kurs richtete sich in erster Linie an die MitarbeiterInnen von öffentlichen und privaten Einrichtungen und Vereinen, die in der Betreuung von MigrantInnen tätig sind.
Die Zahl der Anmeldungen war steiermarkweit so hoch, dass von den über 100 Interessierten nur 20 TeilnehmerInnen in den Kurs aufgenommen werden konnten, u.a. vom AMS, der Caritas, der Steirischen Aidshilfe, Verein Omega, erklärte die Organisatorin Mag. Helga Schicho (ISOP): „Mit Hinblick auf den enormen Andrang könnten locker noch vier oder fünf weitere Kurse zustande kommen, wenn sie weiterhin finanziert werden.

Überreichung der Zertifikate (v.li.) Margareta Brigitzer (ISOP), Absolventin Dajane Safkisowa, bfi-GF Dr. Willi Techt, ISOP-GF Mag. Robert Reithofer, LAbg. Hannes Schwarz, Mag. Helga Schicho (ISOP) und Sigrid Nager (bfi)

Dadurch würden auch dichtere Netzwerke und intensivere Kooperationen zwischen den Institutionen geschaffen werden.“

Auch Dr. Willi Techt vom bfi Steiermark zeigte sich zuversichtlich in Hinblick auf eine Fortsetzung der Kurse, „die Konzepte und Anträge dafür sind bereits eingereicht, wir rechnen zu Jahresanfang mit einem positiven Bescheid.“ Die Erfahrungen und Evaluierungsergebnisse aus dem abgeschlossenen Projekt wurden in der Neuausarbeitung des Konzeptes berücksichtigt.

Vielseitige Ausbildungsmodule
In den insgesamt neun zweitägigen Wochenendseminaren wurden den Teilnehmern die verschiedensten Ausbildungsinhalte für ihre meist sehr umfassende Betreuungstätigkeit näher gebracht. Erfahrene ExpertInnen aus den Einrichtungen ZARA, Initiative Minderheiten, Integrationshaus Wien usw. vermittelten die Themen Interkulturelle Öffnung, Diversity Management, Rechtliche Grundlagen, Antirassismus – Antidiskriminierung, Organisationsentwicklung, Ethnic Mainstreaming.

„Der Kurs hat das Ziel MittlerInnen der Gesellschaft auszubilden“, hob LAbg. Hannes Schwarz hervor, „denn eine Gesellschaft, die eine friedliche Zukunft haben will, muss die Integration schaffen, indem sie in den Köpfen Barrieren abbaut und neue Brücken errichtet.“ In dieselbe Kerbe schlugen die beiden Grazer Gemeinderäte Elke Edlinger und Thomas Rajakovics: Ihnen ist die interkulturelle Öffnung ebenfalls ein großen Anliegen, besonders die verstärkte politische Teilhabe von MigrantInnen, die derzeit „leider noch, abgesehen von wenigen Ausnahmen, in den Kinderschuhen steckt“.

Bei der Verleihung der Zertifikate an die Absolventen wurden die Projektarbeiten der einzelnen Transfergruppen vorgestellt, die sich mit den in der Praxis immer wieder auftauchenden Themen, wie Rassismus, Traumatisierung von Flüchtlingskindern oder Aids auseinander setzen.

Josef Schiffer

 


Die Zukunft lebt im Kindergarten! – Kinderbetreung setzt auf Bildungspartnerschaft mit Eltern

 

    Neben ihrer Hauptaufgabe der Kinderbetreuung liegt zunehmend ein wichtiger Schwerpunkt im Kindergarten und anderen Kinderbetreuungseinrichtungen in der Kooperation mit den Eltern – der viel versprechende Ansatz zu einer umfassenden Bildungspartnerschaft. So entwickeln sich Kinderbetreuungseinrichtungen immer mehr zu Orten der Erwachsenenbildung. Denn die Eltern wissen ebenso wie Kindergarten- und HortpädagogInnen um das große Potenzial, das uns in Kindern begegnet.

„Kinder geh’n uns ALLE an!“ lautet das Motto der Berufsgruppe steirische Kindergarten- und HortpädagogInnen. „Denn eine stabile Entwicklung von Kindern ist die Basis einer gesunden Gesellschaft für die Zukunft“, betont die Projektleiterin Brigitte Ruprecht.

Elternbildung im Kindergarten
Das von der Berufsgruppe steirische Kindergarten- und HortpädagogInnen initiierte und vom Bundesministerium für Soziale Sicherheit/Generationen und Konsumentenschutz und Land Steiermark, FA Referat Frau-Familie-Gesellschaft, geförderte Projekt „Bildungspartnerschaft mit Eltern – Elternbildung von der Kinderbetreuungseinrichtung“ fand im Oktober bei der Abschlussveranstaltung im Festsaal in der Landesbuchhaltung in Graz seinen Höhepunkt.

Christine Kiffmann-Duller, Vorsitzende der Berufsgruppe steirischer Kindergarten- und HortpädagogInnen, und Projektleiterin Brigitte Ruprecht: „Kinder geh’n uns ALLE an!“

Die Projekte von sieben Kinderbetreuungseinrichtungen präsentierten sich den zahlreichen Anwesenden: Erziehungsziele, Beziehung und Kommunikation, Kreativität und Spiel, der Umgang mit Konflikten sind Themen, die den Eltern zusätzlich zum Bildungsangebot der Einrichtungen vermittelt wurden. Hierzu stehen die Kindergarten- und HortpädagogInnen und darüber hinaus Psychologen, Logopäden, Lebensberater den Eltern und Kindern in verschiedenen Projekten zur Seite. Alle Beteiligten lernen von und miteinander. Sie entwickeln in diesem Prozess ein besseres Verständnis füreinander. Ziel des Projektes sind im Tun bestärkte Eltern, denn starke Eltern bedeuten starke Kinder!
 
Fortsetzung folgt. Aufgrund der positiven Resonanz wurden für 2005/2006 bereits viele neue Projekte geplant, welche die Eltern bei ihren täglichen Herausforderungen im Alltag mit den Kindern unterstützen werden.
Der Pfarrkindergarten Eibiswald-West und der Kindergarten Reichendorf bieten im laufenden Kindergartenjahr folgendes Angebot für die Elternbildung in Form von Elternabenden sowie Eltern-Kind Nachmittagen an: Entwicklung des Kindes, Erziehungsziele und Erziehungsstile, Beziehung, Kommunikation und Partnerschaftlichkeit, Umgang mit Konflikten, Gesundheit (im ganzheitlichen Sinn) / Sexualität, rechtliche und ökonomische Fragen, Serviceangebote.

Infos: Berufsgruppe steirische Kindergarten- und HortpädagogInnnen, Mag. Barbara Kroisz, Nikolaiplatz 1, 8020 Graz, T/Fax: 0316/72 22 99

 

 

Leitbild der Pflegezentren des Landes Steiermark

 

    Unser Leitmotto: „Wohlbefinden durch kompetente und persönliche Pflege“ wird in zehn zentralen Lebensbereichen umgesetzt:

Wohnen – neue Wurzeln schlagen:
Wir führen unser Haus als Hausgemeinschaft für Menschen, die nicht mehr selbstständig wohnen können oder wollen. Wir unterstützen die BewohnerInnen, sich mit persönlichen Gegenständen eine wohnliche Atmosphäre zu schaffen. Wir achten die Privatsphäre der BewohnerInnen.

Essen und Trinken – Mahlzeiten mit Genuss: Wir legen großen Wert auf eine Ernährung, die die Gaumenfreuden anspricht und der Gesundheit förderlich ist. Wir respektieren die Essgewohnheiten unserer BewohnerInnen durch mehrere Menüangebote und sind flexibel bei Unverträglichkeiten. Wir bieten ärztlich empfohlene Diäten an und verarbeiten verstärkt Bioprodukte.

Pflegen – Zuwendung und Aufmerksamkeit: Wir erbringen unsere pflegerischen Dienstleistungen kompetent, professionell, engagiert und mit hoher Menschlichkeit. Wir gewährleisten, dass die BewohnerInnen in pflegerische Handlungen eingebunden werden; diese sind immer ein Ergebnis eines Gesprächs zwischen BewohnerInnen und Pflegenden. Wir wirken mit, dass den BewohnerInnen so lange wie möglich ihre Selbstständigkeit erhalten bleibt.

Zeit gestalten – Unterhaltung und Eigenaktivität: Wir nehmen kulturelle Bedürfnisse der BewohnerInnen wahr und bieten Unterhaltung in geselligen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen. Wir gestalten die Zeit und planen Abwechslung im Tages- und Jahresgeschehen. Wir fördern die BewohnerInnen, auch selbst aktiv zu sein.

Individuelles Wohlbefinden: Wir legen großen Wert auf eine Atmosphäre des Wohlbefindens. Wir achten auf die Bedürfnisse der BewohnerInnen, hören ihnen zu und nehmen sie ernst. Wir möchten, dass sich die BewohnerInnen in unserem Haus sicher und geborgen fühlen.

In Würde Leben – Wertschätzung und Achtung: Wir achten die Würde und Persönlichkeit der BewohnerInnen, ihre Privat- und Intimsphäre - in allen Abschnitten ihres Lebens. Wir pflegen einen Umgang, der von Zuvorkommen, Höflichkeit und Wertschätzung getragen ist. Wir gehen von der Grundhaltung der gegenseitigen Wertschätzung und der beidseitigen Akzeptanz zwischen BetreuerInnen und BewohnerInnen aus.

Persönliche Rechte – Selbstbestimmung:
Wir respektieren den eigenen Willen der BewohnerInnen und tragen dazu bei, dass ihr eigener Wille umgesetzt werden kann. Wir legen Wert auf Mitgestaltung und Mitsprache durch die BewohnerInnen.
Wir garantieren, dass mit dem Einzug in unser Haus die Rechte der BewohnerInnen aufrecht bleiben. Angehörige und MitarbeiterInnen dürfen ohne Einverständnis der BewohnerInnen nicht entscheiden.

Beziehungen pflegen: Wir legen großen Wert auf gute Beziehungen von BewohnerInnen zu ihren Freunden, Angehörigen und Vertrauenspersonen. Wir wünschen uns, dass BewohnerInnen Vertrauenspersonen namhaft machen, die von uns in wichtigen Angelegenheiten informiert werden.
Wir fördern die Hausgemeinschaft, verstehen uns aber auch als offenes Haus und nehmen teil am gesellschaftlichen Leben in unserer Gemeinde.

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Wir legen Wert auf Qualität. Wir bieten ein ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis. Wir sind bestrebt, alle unsere Dienstleistungen kostengünstig an die BewohnerInnen weiterzugeben.

Öffentliches Vertrauen gewinnen: Wir streben nach einer guten Außenwirkung, die auf Anerkennung unserer Leistungen aufbaut. Wir wollen Vordenker sein und bauen auf unseren Stärken auf; dabei setzen wir Schwerpunkte. Wir brauchen, um uns weiterzuentwickeln, Rückmeldungen und den Erfahrungsaustausch mit Menschen, die bei uns leben, uns besuchen und mit uns zusammenarbeiten.

 


Armut geht uns alle an
Von Franz Ferner
< Franz Ferner, Geschäftsführer Volkshilfe GmbH

   

Die ehren- und hauptamtlichen MitarbeiterInnen der Volkshilfe sind viel unterwegs in der Steiermark. Aufgrund dieser intensiven Kontakte zu den Menschen kennt die Volkshilfe die Sorgen und Nöte der steirischen Bevölkerung ganz genau. Es ist noch gar nicht lange her, da war Armut in den meisten steirischen Bezirken kein wirk­liches Thema. Das hat sich beängstigend schnell und grundsätzlich geändert.

„Ich lebe von der Mindestrente. Nachdem ich mir die rechte Hand zwei Mal gebrochen habe, musste ich viele Medikamente kaufen und oft zum Arzt fahren, das sind über 30 Kilometer. Ich habe aber kein Auto, darum bin ich auf fremde Hilfe angewiesen.“
Christiane W., 75 Jahre

Der Bundesvorsitzende der Volkshilfe Österreich, Univ.-Prof. Josef Weidenholzer hielt vor kurzem bei einer Tagung fest: „Die europäischen Staaten haben die Sozialausgaben zum wichtigsten Spar­potenzial erklärt, einstmalige Großzügigkeit gegenüber den Armen ist einer ausgesprochenen Kleingeistigkeit gewichen. Die politisch Verantwortlichen leugnen die gesellschaftliche Dimension des Problems und beschwören die individuelle Verantwortlichkeit. Ungleichheit wird nicht mehr als gesellschaftlicher Makel empfunden, vielmehr gilt sie den Marktfundamentalisten als unabdingbare Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit moderner Volkswirtschaften.“

Weidenholzer beschreibt Prozesse, die in ähnlicher Tragweite überall in Europa ablaufen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft und dem Zerfall der bislang national bis regional ausgerichteten sozialen Sicherungssysteme. Das Gejammer der politisch Verantwortlichen über unfinanzierbare „Soziallasten“ ist unüberhörbar. Auch wenn wir es wie eine Gehirnwäsche über uns er­gehen lassen müssen, muss es dennoch nicht richtig sein. Wie könnte es sonst sein, dass sich unter den zehn reichsten Ländern der Welt (Österreich an 7. Stelle) mit einer einzigen Ausnahme, den USA, nur solche befinden, deren Sozialausgaben über dem EU-Durchschnitt liegen? Das bedeutet, hohe Sozialausgaben und damit verbunden ein Maß an gesellschaftlicher Gleichheit behindern die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation nicht.

Alleinerzieherin, Teilzeitjob: Schritte auf dem Weg in die Armutsfalle

„Als allein erziehende Mutter kann ich nur halbtags arbeiten gehen. Für Miete, Strom, Versicherung und Kindergarten zahle ich 632 Euro, mit meinem Gehalt und Alimenten für mein fünfjähriges Kind komme ich auf 719 Euro im Monat. Wovon soll ich dringend notwendige orthopädische Schuhe um 65 Euro bezahlen?“
Gabriele P., 33 Jahre

Es gibt einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen Armut und Neoliberalismus
Armut ist nicht nur das Endprodukt all jener neoliberalen Wirtschaftsreformen, welche die Welt seit Beginn der 1980er Jahre heimsuchen. Die spürbare Bedrohung, bald selbst zu den Armen zu zählen, ist vielmehr das Aufputschmittel dieser Gesellschaft. Wer die vollkommene Entfesselung des individuellen Eigennutzes beabsichtigt, braucht offensichtlich ein Schreckgespenst, das die Menschen antreibt. Nur wer Angst hat, so das menschenverachtende Vorurteil, ist bereit zu Höchstleistungen. Nur wenn es keine Sicherheiten mehr gibt, wenn der Abgrund sichtbar wird, funktioniert das Konzept der Ich-AG. Die Armut wird so zum politischen Druckmittel, zur Peitsche im Genick. Im Konzept des Neoliberalismus hat Armut eine pädagogische Funktion. Es gibt einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen Armut und Neoliberalismus.

Armut ist Gift für das menschliche Zusammenleben
Es liegt an uns allen, gegen das neoliberale Dogma aufzutreten, wonach Armut automatisch selbst verschuldet ist. Verstärkte Ungleichheit und damit ver­bunden mehr Armut sind keine Rezepte, mit denen man die Probleme moderner Gesellschaften kurieren kann. Armut ist ein Gift für das menschliche Zusammenleben, sie zerstört den sozialen Zusammenhalt. Eine Verringerung der Armut bedeutet somit auch ein höheres Maß an Sicherheit. Eine Gesellschaft, die in so­ziale Sicherheit investiert, braucht ihren Sicherheitsapparat nicht aufzurüsten. Wir müssen damit aufhören, Arme auszugrenzen. Eine „inklusive“ Sozialpolitik ist vom Grundsatz des Respekts geprägt. Sie sieht die Menschen nicht als Bittsteller, sondern als Bürgerinnen und Bürger mit Rechtsansprüchen. Arme brauchen nicht unser Mitleid, sie brauchen unsere Wertschätzung. Nur wenn man sie wertschätzt, kann man auch Selbstverantwortung einfordern. Die Volkshilfe versucht Menschen die von Armut betroffen sind, nicht alleine zu lassen. Auch wenn es oft nur eine symbolische Geste ist, der Einsatz von Spendenmittel ist oftmals ein Signal nicht vollkommen auf sich selbst gestellt zu sein. Neben ihren sozialpolitischen Aktivitäten sammelt die Volkshilfe unter der Patronanz von Margit Fischer Geld um schnell und unbürokratisch helfen zu können. Da Spendenaktionen aber nicht politische Maßnahmen ersetzen können und dürfen fordern wir daher auch ein grundsätzliches gesellschaftliches Umdenken:

  • Anhebung der Vermögensbesteuerung zur Sicherung des Sozialstaates
  • Eine eigenständige und existenzsichernde Altersversorgung für alle,
    weil es ein Recht auf ein würdiges Altern geben muss
  • Bildung und Weiterbildung muss für jeden Menschen möglich und leistbar sein
  • Ein garantiertes Mindesteinkommen für Menschen mit Beeinträchtigungen
  • Ein solidarisches Gesundheitssystem ohne Zugangsbarrieren
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
  • Stopp für alle Liberalisierungstendenzen im Bereich der Daseinsvorsorge
  • Fairness statt Lohndumping – Qualifizierte Dienstleistungen dürfen nicht nach ausländischem Arbeitsrecht auf den österreichischen Markt kommen